Offshore-Konstrukte: In Supino We Trust
Der Präsident des Medienkonzerns Tamedia kennt das Wesen von Trusts aus Theorie und Praxis. Ein Fünftel seines Konzerns wird von drei Liechtensteiner Stiftungen kontrolliert. Warum?
Stiftungen und Trusts stammen aus einer verschwiegenen Welt. Die komplex verschachtelten juristischen Konstruktionen sind oft nur spezialisierten AnwältInnen verständlich. Einer, der sich mit dieser Materie auskennt, ist Pietro Supino, Präsident des grössten Schweizer Medienkonzerns, Tamedia, der auch die an den Offshore-Leaks-Recherchen beteiligte «SonntagsZeitung» herausgibt. Supino äussert sich gerne zu Medienthemen, erst kürzlich veröffentlichte er im Magazin des «Tages-Anzeigers» einen «Zettelkasten des Verlegers», in dem er seine Vorstellungen des künftigen Journalismus skizzierte. Zum Thema «Trusts» aber schrieb er bisher nichts in seinen zahlreichen Zeitungen. Dabei hat er sich in der Vergangenheit intensiv mit den heute umstrittenen Offshore-Vehikeln beschäftigt.
«Normalerweise legitim»
1994 dissertierte Supino an der HSG in St. Gallen zum Thema «Rechtsgestaltung mit Trust aus Schweizer Sicht». Aufschlussreich erklärt der angehende Jurist darin, dass bereits im englischen Mittelalter Trusts – damals «uses» – «zur Umgehung der gesetzlich vorgegebenen Erbfolge» verwendet und auch «zur Vermeidung von Abgaben» eingesetzt wurden. Die Hauptfunktionen von Trusts liegen nach Supino zwar eher in der Nachlassbindung, der Vermögensverwaltung oder der Vermögensaufteilung. Leicht zerknirscht erwähnt Supino aber auch, dass «dem Trust auch die Funktion der Verbergung nachgesagt wird». Für Gesetzesumgehungen seien Trusts jedoch nur «sehr beschränkt» geeignet. Die Rechtsgestaltungen seien «normalerweise legitimer Art», weshalb es «verfehlt» wäre, die Erweiterungen der Gestaltungsmöglichkeiten als «Instrument der Rechtsumgehung» zu betrachten.
Kurz darauf lernte Supino das Trustwesen von der praktischen Seite her kennen, als er für die Anwaltskanzlei Bär und Karrer arbeitete. Im Jahr 1998 errichtete er einen Trust namens Moonstone für einen gewissen Dr. ███ S███ *. Der Finanzjournalist Gian Trepp machte den Fall 2008 in der WOZ publik, gestützt auf Unterlagen des Exbankers und Whistleblowers Rudolf Elmer. Zwei Jahre später fand in München bei ███ S██████, einem der reichsten Deutschen, eine Steuerrazzia statt. Die Staatsanwaltschaft vermutete, dass S██████ hinter dem Moonstone-Trust stehe. S██████ Anwälte sprachen von einer Verwechslung, das Verfahren wurde später eingestellt. Pietro Supino erklärte in einer Stellungnahme, er habe damals auf direkte Anweisung seines Vorgesetzten gehandelt, und die Tamedia-Pressestelle richtet aus, dass Supino «angesichts seiner untergeordneten Rolle als Angestellter seit Jahren keine neuen Informationen zum Fall» erhalten habe.
Auch der Medienkonzern Tamedia verfügt über «gut dokumentierte Berührungspunkte zum Offshore-Geschäft», wie Gian Trepp diese Woche auf seinem Blog schrieb. Denn seit dem Börsengang der Tamedia AG im Jahr 2000 kontrollieren mehrere Liechtensteiner Stiftungen knapp zwanzig Prozent der Tamedia-Aktien.
Die dritte Stiftung
Über die Stiftungen ist wenig bekannt. Nur der Name Ellermann weist darauf hin, dass hinter den Liechtensteiner Vehikeln (Ellermann-Rappenstein-Stiftung und Ellermann-Lawena-Stiftung) die Verlegerdynastie Coninx steht. Stiftungsrat Guido Albisetti erklärt auf Anfrage, dass die 1999 verstorbene Irmgard Ellermann-Coninx, die in Vaduz lebte, drei Stiftungen für ihre drei Kinder gegründet hatte. Als Vermögen hatte sie den Stiftungen je ein Drittel ihrer Beteiligungen an der Tages-Anzeiger AG vermacht (heute: Tamedia AG). Stiftungsrat Albisetti hält fest, dass die Ausschüttungen der Tamedia an die Stiftungen sowohl den Steuerbehörden in der Schweiz als auch in Deutschland «in voller Höhe bekannt» seien, die Stiftungen also offengelegt und «keine Offshore-Konstrukte» seien.
Der Name Ellermann führt auch zu einer dritten Gesellschaft, für die Albisetti nicht tätig ist und zu der er keine Angaben machen kann: der Ellermann-Pyrit GmbH mit Sitz in Stuttgart, deren Gesellschaftskapital von einer gleichnamigen Stiftung in Liechtenstein stammt.
Gemäss Wirtschaftsdienst Teledata verfügte die Ellermann-Pyrit GmbH 2011 über knapp 94 Millionen Euro und wird von zwei Anwälten geführt. Einer der beiden Geschäftsführer, ein Anwalt aus dem deutschen Esslingen, gibt sich wortkarg. Als Anwalt dürfe er keine Auskünfte geben, sagt er am Telefon. Auf die Frage, was es denn mit der Firma auf sich habe und wer dahinterstehe, antwortet er unwirsch, bevor er das Telefongespräch abrupt beendet: «Wenn Sie Ihre Arbeit professionell betrieben, würden Sie keine solchen Fragen stellen.»
Der zweite Geschäftsführer weilt derzeit im Urlaub. Ihm gehört laut Teledata die Hälfte der Gesellschaft (er teilt sie mit Jens Ellermann aus der Coninx-Dynastie). Auch er ist Anwalt – bei der bekannten Liechtensteiner Kanzlei Batliner Gasser. Die Anwaltskanzlei wurde von Prof. Dr. Dr. Herbert Batliner gegründet, dem berühmtesten und umstrittensten Anwalt aus dem Ländle, den die «Süddeutsche Zeitung» einmal «Schutzengel für Steuerflüchtlinge» genannt hat. Batliner und seine Kanzlei haben das Liechtensteiner Stiftungswesen geprägt und damit wesentlich zum heutigen Ruf des Finanzplatzes Liechtenstein beigetragen.
Tamedia will sich nicht zu «den Angelegenheiten der Aktionäre» äussern und schreibt: «Wir weisen unsere bedeutenden Aktionäre seit dem Börsengang transparent aus. Auf die Vermögensstruktur unserer Aktionäre haben wir keinen Einfluss.»
* Am 9. August 2014 erreichte die Redaktion ein Schreiben des Anwalts von S. Darin weist der Anwalt darauf hin, dass das «Ermittlungsverfahren in Ermangelung eines Tatverdachts ohne Auflagen» eingestellt wurde, was auch im Artikel steht. Dennoch ist der Anwalt der Ansicht, dass unsere Berichterstattung seinen Mandanten weiterhin belaste. Wir vertreten zwar eine andere Rechtsauffasung. Da der Artikel jedoch nicht in erster Linie von S. handelt, haben wir beschlossen, die Passage zu anonymisieren, ohne eine Rechtspflicht anzuerkennen.