Roma: Orbans Feigenblatt an der Universität Zürich

Nr. 23 –

Der Minister für Humanressourcen wäre eine schöne Romanfigur in George Orwells Werk «1984» gewesen: die Menschen nicht als BürgerInnen definiert, sondern als zweckgebundener Bestand, über den der Minister verfügen kann.

Die Realität hat die Fiktion längst überholt: Der Minister für Humanressourcen existiert tatsächlich. Er heisst Zoltan Balog, und sein Schöpfer ist kein Schriftsteller, sondern der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Erst letzte Woche erhielt Balog das Deutsche Verdienstkreuz – wegen seines Einsatzes «für Menschenrechte und Minderheiten». Nun kommt dieser «Superminister» – er ist zuständig für die Bereiche Bildung, Soziales, Kultur, Sport und Jugend – nach Zürich. Die Alumni-Organisation der Rechtswissenschaftlichen Fakultät hat Balog eingeladen. Er wird an der Uni Zürich einen Vortrag halten: «Ungarns Roma – Problem oder Chance?»

Das hat Kritik hervorgerufen. Zwei Zürcher Rechtsanwälte kritisierten im «Tages-Anzeiger» den Titel des Vortrags, der an Diskussionen über das «Schwarzenproblem» und das «Judenproblem» in der Vergangenheit erinnere. Diese Kritik ist berechtigt, aber sie greift zu kurz.

Der ausgezeichnete Zoltan Balog, der früher als Pfarrer tätig war, tritt auf dem internationalen Parkett gern als eloquenter Brückenbauer auf. Und als Vater einer «nationalen Romastrategie», die auf dem Papier gut aussieht und von der EU gelobt wurde, aber vorwiegend aus sinn- und perspektivlosen Beschäftigungsprogrammen besteht. Ungarische BürgerrechtlerInnen, für die Balog anfangs ein Hoffnungsträger war, beklagen seine zunehmende ideologische Nähe zur völkisch-konservativen Linie, die Orban vorgibt. So hat Balog unlängst den Sänger einer Nazirockband sowie einen offen faschistischen Journalisten mit hohen staatlichen Orden ausgezeichnet. Die Hauptkritik richtet sich gegen Balogs Bildungspolitik. Diese ziele unter dem Motto «liebevolle Segregation» auf die Ausgrenzung von Romakindern in den öffentlichen Schulen.

So ist die Antwort auf die Frage, der Balog in seinem Vortrag nachgehen will, bereits gegeben. Und sein Vortrag hinfällig geworden.