Stadtentwicklung Zürich: «So, das wars. Wir haben viel zu tun»

Nr. 23 –

Die Binz in Zürich steht leer. Die BesetzerInnen sind ausgezogen, geräuschlos fast. Auf dem Koch-Areal haben sie ein neues Zuhause gefunden. Doch die Grossbank UBS will sie auch dort loswerden.

Kreativ und politisch: So war die Binz sieben Jahre lang. Foto: Ursula Häne

Die Binz ist nicht mehr. Am vergangenen Freitag ist die Familie Schoch nach sieben Jahren aus der besetzten Fabrikhalle im Zürcher Stadtteil Wiedikon ausgezogen.

Die BesetzerInnen haben viel hinterlassen. Zuletzt eine Barrikade aus Metallgegenständen, die den Stadtbehörden den Weg aufs Gelände versperrte. Ein letztes Zeichen des Widerstands. Und ein Verweis auf die Geschichte des Areals, die sich mit dem Auszug der Familie Schoch schliesst: Auf dem Grundstück befanden sich einst eine Metallgiesserei und ein Maschinenbaubetrieb. Die BesetzerInnen hatten dieses industrielle Erbe auf vielfältige Weise fortgeführt: In der Binz waren unter anderem eine Velowerkstatt, eine Schlosserei, eine Siebdruckerei und eine Schreinerei untergebracht. Die Binz war sieben Jahre lang ein Ort der Begegnung, wo Konzerte stattfanden, Feste gefeiert und Theater gespielt wurde. Oft spontan und nie einer kommerziellen Logik folgend.

Abbruch auf Vorrat

Im öffentlichen Gedächtnis wird wohl etwas anderes haften bleiben: Anfang März endete ein von der Familie Schoch initiierter Umzug durch die Stadt Zürich in Krawallen und Hausdurchsuchungen. Medien und bürgerliche PolitikerInnen stempelten die BesetzerInnen als Kriminelle und Chaoten ab. Doch im Tränengas ging unter, dass hinter dem Umzug mit aufwendig gestalteten Wagen ein grosser kreativer Aufwand und eine politische Haltung steckten: «In einer Stadt, die zunehmend von Profitdenken, Sicherheits- und Sauberkeitswahn dominiert wird, haben wir sieben Jahre lang ein Areal belebt, das Tag und Nacht ohne Schloss und Riegel offen stand», schrieb die Familie Schoch in einem Abschiedsbrief am letzten Freitag. Ein zweiter Satz verdeutlicht diese Haltung: «Auch Kriminalität ist eine Frage des Standpunkts. Aus unserer Sicht sind der Prime Tower und was er repräsentiert kriminell.»

In Zukunft werden auf dem Binz-Areal Personalwohnungen, ein Studentenwohnheim, Ateliers und Kulturräume stehen. Der Kanton Zürich, der das Grundstück besitzt, hat sich für das Projekt der Pensionskasse Stiftung Abendrot aus Basel entschieden. Es ist ein Projekt mit einem sozialen und nachhaltigen Antlitz. Dennoch trennen dieses Projekt und die besetzte Binz Welten. Künftig werden für Konzerte oder Theateraufführungen Marktpreise verlangt, ebenso fürs Bier. Das Programm wird nicht spontan und aus dem Raum mit den darin lebenden Menschen entwickelt. Und die slowenische Studentin, die sich in der Binz dank tiefer Lebensunterhaltskosten ein Leben in Zürich leisten konnte, wird keinen Platz mehr finden.

Schliesslich entlarvt die Entwicklung auf dem Binz-Areal eine fragwürdige Praxis der Behörden: Sie lassen auf Vorrat abbrechen. Zunächst wird der Kanton auf dem Areal eine Asbest- und eine Altlastensanierung vornehmen müssen. Erst danach kann die Stiftung Abendrot mit dem Bau beginnen. Weder das kantonale Immobilienamt noch die Basler Pensionskasse wollen gegenüber der WOZ einen Zeitplan mitteilen. Es bleibt intransparent, wann die Sanierung abgeschlossen ist und mit dem Bau begonnen wird. In Zürcher Medien wird der Frühling 2014 als Baustart genannt, andere Quellen nennen den Oktober 2014. Sehr wahrscheinlich wird das Binz-Areal eine Zeit lang brachliegen.

Die Binz ist nicht mehr, die Familie Schoch aber lebt weiter. Sie ist nach Albisrieden umgezogen. Auf das Koch-Areal, das seit Ende März von den Familien Wucher und Zauber besetzt wird. Mittlerweile leben über hundert Menschen dort. Geplant sind eine Metall- und eine Holzwerkstatt, ein Skatepark, ein Garten und ein Ausstellungsraum. Die Autonome Schule Zürich nutzt schon Räume, erste Konzerte und Filmvorführungen haben stattgefunden.

Eigentümerin ist diesmal die Grossbank UBS. Sie hatte geplant, die Liegenschaften abzureissen – ohne dass ein Neubauprojekt vorgelegen hätte. Nach der Besetzung hat die UBS die Flucht nach vorne angetreten. Während sie mit den BesetzerInnen «höchstens informell» kommuniziert, laufen fieberhafte Gespräche mit der Stadt über eine mögliche Zwischennutzung. Weder die UBS noch das zuständige städtische Hochbauamt wollen sich gegenüber der WOZ zum Stand der Gespräche äussern.

UBS hält Besetzung für «nicht tragbar»

Immerhin gibt UBS-Pressesprecher Samuel Brandner Informationen zur mittel- und längerfristigen Planung preis: «Vor 2016 wird kaum gebaut werden. Wir erwarten bald erste Studienaufträge für mögliche Bauprojekte.» Die Weiterentwicklung von Liegenschaften gehöre aber nicht zu den Kernaufgaben der UBS, deshalb sei längerfristig der Verkauf des Areals eine Option, so Brandner. Auf die Nachfrage, weshalb die Bank plötzlich aktiv nach einer Zwischennutzung suche, anstatt das Areal bis 2016 zur Verfügung zu stellen, antwortet er: «Die Besetzung halten wir für eine nicht tragbare Situation. Wir streben gemeinsam mit der Stadt eine Zwischennutzung an, die auch der Öffentlichkeit im Quartier zugutekommt.»

Am Ende wird das Verhalten der Behörden entscheidend sein. Es liegt in ihrer Hand, die zunehmende Praxis des Abbruchs auf Vorrat zu unterbinden: indem eine Räumung nur gestattet wird, wenn der Beginn eines neuen Bauprojekts unmittelbar bevorsteht.

«So, das wars. Wir haben viel zu tun.» Damit endet der Brief der Binz-BesetzerInnen.