Wichtig zu wissen: Galak essen im Rayonverbot
Ruedi Widmer berät weggewiesene Tschuttibuben.
Weil sie am vorvergangenen Wochenende über den Schulhauszaun geklettert sind und zu unchristlicher Zeit Fussball spielten, haben drei Oensinger Tschuttibuben Rayonverbot auf dem Schulhausfussballplatz bekommen, berichteten diverse Zeitungen. Der Schokoladenhersteller Cailler, der die Schokolade «Rayon» herstellt, ist konsterniert, Väter und Mütter sind wütend auf den Gemeindepräsidenten Flury, und die Leserbriefschreibfraktion springt aufgeregt in der Schweizer Medienlandschaft herum. Fussball ist offenbar für viele kein Sport mehr, sondern Lärm und Krawall. Und Buben sind Hooligans und Chaoten.
Auf öffentlichen Druck hat die Gemeindeverwaltung das Rayonverbot wieder zurückgezogen. Doch der Ruf von Oensingen in Kinderkreisen dürfte langfristig beschädigt sein. Immer weniger Kinder werden die Gemeinde zukünftig als Standort wählen. Das ist schlecht fürs Steuersubstrat. Kinder sind nämlich schon von Natur aus pauschalbesteuert.
Schaut man etwas unter die Gebüsche in der Medienlandschaft, findet man aber auch positive Neuigkeiten. Unter dem klaren Namen Trans-Adriatic-Pipeline baut ein Konsortium unter Beteiligung des Energiekonzerns Axpo, der mit seiner Axpo-Super-League übrigens lange Zeit den Fussballhooliganismus förderte, eine Erdgasröhre von Aserbaidschan via Griechenland nach Italien. Die EU gab dem Schweizer Projekt grünes Licht, nachdem sie jahrelang das österreichische Konkurrenzprojekt «Nabucco» (Nebukadnezar) bevorzugt hatte. Der österreichische Energiekonzern OMV, der mit der Benennung nach einer Verdi-Oper wohl den grünen wie gewerkschaftlichen und ebenso königlichen Touch des Gasunternehmens betonen wollte, ist leer ausgegangen. Die EU ist diesem «Nabucco»-Trick nicht auf den Leim gekrochen und hat, ganz zu Ehren des verstorbenen Rohstoffhändlers Marc «National» Rich, unser seriöses Land ausgewählt, um Europa mit dem kaspischen Raum zu verbinden. Wir mögen es ja gar nicht, wenn die Vorsitzende des Bundesamts für Verrat, Eveline Widmer-Schlumpf, in den Hintern der EU schlüpft, aber wenn die EU unseren Energiebaronen den Hintern küsst, dann tschudderet es uns vor Geilheit. Wir wollen auch grad mitküssen, weil wir die Strombarone einfach gut finden, wie sie da so strömen und uns bebildschirmen und bekühlschränkeln.
Die ÖsterreicherInnen sind FalschmünzerInnen. Ihr Spitzname «Nabucco» ist ein Schönredename für etwas Unsauberes, Schmutziges, Rayonverbotenes. Wie «Bankgeheimnis» oder in Kifferkreisen der Begriff «Duftsäckli». Aber als Leitidee ist das Codewort «Nabucco» hilfreich. Gemeindepräsident Flury ist ja quasi wenn nicht der Nebukadnezar, so doch die EU von Oensingen. Man muss nicht gerade in seinen Hintern schlüpfen, aber man könnte seine Fantasie beflügeln. Den verbotenen Schülern ist zu empfehlen, auf der Gemeinde ein Gesuch einzureichen, in Zukunft auf dem Schulhausplatz den «Fliegenden Holländer» spielen zu dürfen. Flury schätzt es garantiert, wenn Oensingen wenigstens auf der kulturellen Landkarte der Schweiz zu leuchten beginnt. Haben die Schüler erst die Bewilligung im Sack, spielen sie natürlich nicht Richard Wagners Oper, sondern schönen klassischen holländischen Fussball. Das Codewort hat es ermöglicht. Die Buben essen nach dem Spiel noch Galak-Schokolade. So muss Gemeindepräsident Flury auch noch ein Galakverbot über die Rayonbrüder aussprechen.
Die Gefahr solcher Hooligankolumnen besteht darin, Oensingen in ein schlechtes Licht zu rücken, ohne es wirklich zu kennen. Sportfeindlich ist die Solothurner Gemeinde nämlich überhaupt nicht: oensingenbewegt. ch berichtet vom intensiven Sporttreiben in der Bevölkerung: Linedance, Aerobic, Zumba, Badminton, Tennis, Wandern, Aquafit, Judo, Riesentischfussball, Outdoorkegeln, Wandern, Unihockey oder Festwirtschaft. Es gibt also genug Alternativen zum störenden Fussballsport.
Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur und war noch nie Gemeindepräsident. Wie soll er also beurteilen, wie mit den Knaben zu verfahren ist? Leistungsausweis?