«iSlaves»: Maschinenfutter

Nr. 36 –

Ein Buch über den weltweit grössten Auftragsfertiger zeigt, was in den Werken von Foxconn abläuft – Pflichtlektüre für alle Smartphone-NutzerInnen.

Auch in der Volksrepublik China gibt es staatlicherseits Menschen, die sich für die skandalösen Bedingungen in den grossen Werkstätten des Landes interessieren – nicht die Regierung und auch nicht das Politbüro der KP (die kümmern sich nur darum, wenn das Aufsehen zu gross wird), aber universitäre Einrichtungen. So haben etwa Pun Ngai, Lu Huilin, Guo Yuhua und Shen Yuan – ProfessorInnen in Beijing und Hongkong – die Zustände in den Produktionsstätten von Foxconn untersucht; die beeindruckende Studie ist jetzt unter dem Titel «iSlaves. Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken» auch auf Deutsch erschienen.

Foxconn – international in die Schlagzeilen geraten, weil sich 2010 über ein Dutzend ArbeiterInnen in den Tod stürzten – ist mit 1,3 Millionen Beschäftigten und einem Umsatz von 120 Milliarden US-Dollar der weltweit grösste Auftragsfertiger. Der Konzern im Besitz eines taiwanesischen Unternehmens produziert für alle namhaften Elektronikmarken – von Canon, Microsoft bis Intel, von Hewlett-Packard, Panasonic bis Samsung – und betreibt Werke in elf Staaten (darunter Brasilien, Malaysia, Indien, Australien und Tschechien). Besonders präsent ist er aber in China, wo Apple seine iPhones und iPads herstellen lässt.

Apple: dreissig, Foxconn: zwei

Für ihre Analyse interviewten rund sechzig ProfessorInnen und StudentInnen Tausende von Foxconn-ArbeiterInnen und arbeiteten zum Teil selber in den riesigen Foxconn-Werken. Ihre Studie zeigt, wie die Globalisierung und die chinesische Öffnung für ausländische Investitionen den Aufstieg des einst kleinen Unternehmens begünstigten, welch stürmische Entwicklung das Unternehmen dank staatlicher Subventionen nehmen konnte und wie gross der Druck der globalen Marken auf den Zulieferer ist. Während beispielsweise Apple, je nach Produkt, zwischen dreissig und sechzig Prozent der Wertschöpfung als Gewinn einsackt, bleibt für Foxconn gerade mal eine Marge von maximal zwei Prozent.

Kein Wunder herrscht an den Fliessbändern und in den gigantischen Wohnheimen ein paramilitärisches Regime, das die Menschen auslaugt, ihnen jede Würde und jedes Selbstwertgefühl raubt und sie täglich zu Mehrarbeit zwingt. «Wir werden als Maschinenfutter benutzt», zitieren die ForscherInnen eine Arbeiterin.

Die Untersuchung listet zahllose Verstösse gegen das chinesische Arbeitsgesetz auf, beschreibt die enorme Fluktuation (weil es die WanderarbeiterInnen bei Foxconn schlicht nicht mehr aushalten), porträtiert sehr anschaulich einzelne ArbeiterInnen und weist nach, dass die nach der Selbstmordserie versprochenen Verbesserungen grossteils nur Kosmetik waren. So erhielten nur wenige ArbeiterInnen die nach dem öffentlichen Aufschrei zugesagte Verdoppelung der Löhne. Die neu eingerichteten «Mitarbeiterbetreuungszentren» erwiesen sich bald als Mittel zur besseren Kontrolle der Beschäftigten. Und wer sich per Hotline über die Arbeitsbedingungen beschwert, bekommt es mit dem Chef zu tun.

Sprung vom Gebäude

Das Buch beschreibt auch, wie die lokalen Behörden die Ausbeutungspraktiken unterstützen – und wie sich die Beschäftigten wehren: mit Bummelstreiks, Arbeitsniederlegungen, Kantinenbesetzungen, Strassenblockaden und «Sprung-vom-Gebäude-Shows». Im Januar und April 2012 drohten jeweils über hundert Beschäftigte, sich gemeinsam vom Dach zu stürzen, sollten ihre Forderungen kein Gehör finden.

Allerdings könnte bald eine ähnlich gute Analyse für weitere Unternehmen notwendig werden. Denn Apple lässt laut Angaben von China Labor Watch vermehrt beim chinesischen Auftragsfertiger Pegatron produzieren. Und dort sind die Bedingungen noch schlechter.

Pun Ngai (u.a.): iSlaves. Ausbeutung und Widerstand in Chinas 
Foxconn-Fabriken. Herausgegeben und übersetzt von Ralf Ruckus. Mandelbaum Verlag. Wien 2013. 264 Seiten. Fr. 29.90