Editorial: Wenn der Algorithmus die Wolke sieben berechnet

Nr. 42 –

Alles ist gleichzeitig da und verfügbar, Musik schwebt in einer Wolke mit Büchern, Fotografien, Filmen und anderen Medien über uns. 
Nach Platten, CDs und Downloads – legal und illegal – ist nun also Streaming angesagt. Nicht nur bei der jüngeren Generation. 
Das Haptische ist dabei, zu entschweben, oder fristet zunehmend 
ein Nischendasein. Spezielle Editionen und Vinylschallplatten 
richten sich vor allem noch an Jägerinnen und Sammler – zum Glück sind noch einige von ihnen unterwegs.

Aber wie steht es mit der Umsonstkultur im Internet? Mit Werbung gekoppelt ist der Stream gratis zu konsumieren, bei einer Flatrate 
in eine monatlich anfallende Handygebühr integriert und dafür werbefrei. Aber die KonsumentInnen liefern mit ihren Käufen und angehörten Streams immer genügend Daten, die sich aus- und verwerten lassen. So viele, dass die Maschine in Sekundenbruchteilen ein 
algorithmisches Profil Ihrer Person – Ihrer Wolke sieben – erstellen kann, um blitzschnell neue Kaufempfehlungen abzufeuern. Damit Sie 
eine bessere Konsumentin oder ein besserer Konsument werden und von meist stromlinienförmiger Musik erfahren, von der Sie (noch) nichts gewusst haben. Einzig die musikalischen Nischen, wo Innovationen passieren und Entdeckungen zu machen sind, bleiben (vorderhand) noch unberührt. Da braucht es sie also noch: die SchallplattenhändlerInnen des Vertrauens.

Es gibt aber auch MusikerInnen und Bands, die ihre eigenen Strategien entwickeln und gleichzeitig auf allen Kanälen aktiv sind. Sie nutzen 
die Freiheiten einer globalisierten Welt, denn letztlich wollen sie auf 
der Bühne stehen und auch auf Youtube präsent sein.

Im Januar ist Berthold Seliger in der Schweiz auf Lesetour und besucht Basel, Zürich und St. Gallen. Er wird einiges zu erzählen haben. Zum Beispiel über den gut eingebetteten Musikjournalismus oder die Urheberrechtsgesellschaften, die er in seinem Buch «Das Geschäft mit der Musik» als Verwertungsgesellschaften bezeichnet. 
Er plädiert dann wohl auch für ein «Copy? Right!», und vielleicht 
kann er sich über das Resultat der Abstimmung zur 1:12–Initiative vom 24. November freuen. Nicht zuletzt, wenn er auf die Teppichetagen 
von Suisa und Pro Litteris schaut und die dort üblichen Gehälter mit denjenigen aktiver Musikschaffenden vergleicht. Denn letztlich 
wollen MusikerInnen nicht nur gehört werden, sondern auch von ihrer Musik leben können.