«Kanderschlucht»: Militärisches Unwesen
Die Lösung hätte der Autor ja nicht gleich zu Beginn verraten müssen. Aber wenn er das Buch den «Opfern der militärischen Menschenversuche in der McCarthy-Ära» widmet, dann wissen wir beim Lesen schon, dass es sich bei den toten Prostituierten nicht um Sexualdelikte handelt. Trotzdem ist dieser Krimi von Peter Beutler sehr spannend. Denn sein Ermittler, Hauptmann Bärtschi von der Berner Kantonspolizei, stösst auf so heftige Widerstände bei der Aufklärung, dass schnell klar ist: In diese Fälle ist das Militär verwickelt, und zwar nicht nur, weil offensichtlich Militärjeeps ihre Spuren hinterlassen haben.
Die Handlung spielt in der Schweiz der frühen fünfziger Jahre. In der Armee sitzen die Antikommunisten auf wichtigen Positionen, unter ihnen manche, die während des «Dritten Reichs» mit den Nationalsozialisten sympathisierten. Während Bärtschi und sein Mitkämpfer Max Schmocker, ein angehender Anwalt der Militärjustiz, von Thun aus den Spuren im schönen Berner Oberland nachgehen, im Glauben, dass ein hoher Militär und Triebtäter von seinen Kollegen gedeckt wird, wissen die LeserInnen, dass hier ein weit gravierenderes Verbrechen der Aufklärung harrt. Und so, wie sich Untersuchungsrichter, Staatsanwälte und obere Armeechargen benehmen, steht zu befürchten, dass dieses Verbrechen vertuscht wird.
Peter Beutlers Thema ist die Fremdenfeindlichkeit. Schon in seinem Erstling «Weissenau», in dem es um einen Überfall auf einen Obdachlosen geht (den Fall «Marcel A.»), kämpft der ermittelnde Polizist gegen seine rassistischen Kollegen, in «Hohle Gasse» nahm sich der Autor die rechtsextreme Szene der Innerschweiz vor. Auch in «Kanderschlucht» schreibt Beutler nahe der Wirklichkeit entlang. Er spiesst die innigen Verbindungen zwischen dem konservativen Grossbürgertum und der Armee auf, die noch lange nach den fünfziger Jahren den liberalen und sozialen Fortschritt behinderten. Eva Pfister
Peter Beutler: Kanderschlucht. Kriminalroman. Emons Verlag. Köln 2013. 320 Seiten. Fr. 16.50