Literatur: Ein KZ auf dem Weissenstein
Die sprichwörtliche Leiche im Keller findet Becky Kolberg, kurz nachdem sie in das Haus ihrer Vorfahren bei Solothurn eingezogen ist. Eine junge Frau wurde erschossen und in die Wand eingemauert. Das Hakenkreuzabzeichen weist auf die Zeit des Mordes hin, und die Tote wird als die Tochter der damaligen Haushälterin identifiziert: Emma Kummer. Bald findet Becky Kolberg auch Fotos und ein Tagebuch, und so kann der Solothurner Autor Christof Gasser in seinem Kriminalroman «Wenn die Schatten sterben» den Leser:innen die Zeit des Nationalsozialismus anhand von Emmas Geschichte näherbringen.
Wir sind im Jahr 1940, als die Angst vor einem deutschen Angriff auf die Schweiz am grössten war – und ebenso die Anbiederungen rechter Kreise an das «neue Europa». Emma arbeitet in der Waffenfabrik Zuchwil bei Solothurn, die seit 1938 vollständig unter deutscher Kontrolle ist. Die «Zuchi» liefert ihre Produkte nicht direkt ans Deutsche Reich, aber in die verbündeten Länder Italien, Rumänien und Ungarn. Die Schweizer in der Firmenleitung sind wackere Frontisten, die auch kaltschnäuzig gegen Sozialdemokraten, Gewerkschafterinnen und Juden vorgehen. Emma, selbst politisch nicht aktiv, aber von rebellischer Natur, gerät zwischen die Fronten, als sie den rätselhaften Tod ihrer besten Freundin nicht auf sich beruhen lässt und gegenüber ihren Vorgesetzten zu selbstbewusst auftritt.
Christof Gasser entfaltet eine verwickelte Handlung auf zwei Zeitebenen. Die fiktive Handlung basiert auf historischen Tatsachen, die breit dargelegt werden und immer noch erschrecken – von der Empfänglichkeit vieler Schweizer:innen für nationalsozialistische Ideen bis hin zu den Plänen der Frontisten für den Fall des «Anschlusses»: Gleichschaltung, Säuberungen, Vernichtung. Auf dem Weissenstein war sogar ein Konzentrationslager geplant – auch das ist keine Erfindung.
Christof Gasser: Wenn die Schatten sterben. Emons Verlag. Köln 2021. 352 Seiten. 24 Franken