Prostitutionsverbot: Fragt mal die Sexarbeiterinnen!
Plötzlich ist Prostitution ein hippes Problem. Provokationsfeministin Alice Schwarzer prügelt mit ihrem Buch «Prostitution. Ein deutscher Skandal» die Diskussion voran. Man liest darin von Flatrate-Bordellen, in denen Mann für wenig Geld unbeschränkt vögeln kann. Die Frauen sind Frischfleisch, mehr nicht. Schwarzer nennt Deutschland die Menschenhändlernation Nummer eins, weil das Land eine liberale Gesetzgebung hat. SexarbeiterInnen zahlen nicht nur Steuern, sie haben auch Rechte. Was in der Schweiz nicht gilt: Hier haben sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und können nicht klagen, wenn ein Freier nicht zahlt.
Das aber interessiert die «Emma»-Herausgeberin Schwarzer nicht. Für sie ist Prostitution der schlimmste Ausdruck des Patriarchats, nach der Formel: Prostitution = Gewalt an Frauen = Menschenhandel. Ergo gehört Prostitution verboten, weil niemand für Menschenhandel ist.
Die Debatte ist längst auf die Schweiz übergeschwappt. Schon vor einem Jahr reichte die Berner EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller einen Vorstoss ein, der vom Bundesrat verlangt, er solle ein Verbot der Prostitution prüfen. 43 NationalrätInnen unterzeichneten. Darunter prominente SP-Frauen wie Margret Kiener Nellen, Barbara Gysi und Maria Bernasconi sowie die Grüne Regula Rytz.
In ihrem Vorstoss lobt Streiff-Feller das schwedische Modell: «Schweden hat als erstes Land der Welt 1999 ein Gesetz erlassen, das den Kauf sexueller Dienstleistungen verbietet. Die Freier werden bestraft, nicht aber die Prostitution.» Sie fügt noch an: «Die positiven Evaluationsresultate bezüglich der Auswirkungen überraschen selbst anfängliche Zweifler.»
Stimmt, es gab eine Auswertung, die allerdings höchst umstritten ist. Die schwedische Regierung behauptet darin, die Prostitution sei praktisch verschwunden. Zahlen und Fakten bietet der Bericht keine. Das Einzige, was man daraus schliessen kann: Die sichtbare Prostitution ist verschwunden – sie ist aber in den Untergrund abgewandert. Nirgendwo sind die Frauen Zuhältern und Freiern mehr ausgeliefert als im Dunkel der Illegalität.
Die schwedische Historikerin Susanne Dodillet verfolgt seit Jahren die Prostitutionsdebatte. Sie hält das schwedische Modell für gut verkaufte Propaganda, die aber wenig hilfreich für die betroffenen Frauen sei. «Die Aufmerksamkeit um das schwedische Sexkaufverbot ist das Resultat gezielter Lobbyarbeit durch schwedische Regierungen und radikalfeministische NGOs. Das Sexkaufverbot kann als Herzstück der schwedischen Gleichstellungspolitik gelten, die das Land aufwendig vermarktet», sagt sie gegenüber der WOZ.
Das Schwedische Institut (Svenska institutet, eine Promoagentur des Staates) als auch die Botschaften würden Informationsmaterial verteilen, bildeten JournalistInnen aus und veranstalteten Filmabende, um weltweit für ein Sexkaufverbot zu werben. Dodillet konstatiert, dass auch die positive Evaluation des Gesetzes letztlich als Teil dieser Vermarktungsstrategie gelesen werden muss.
Norwegen und Island haben das Modell schon übernommen. Frankreich ist daran. Und der Bundesrat hat nun auch den Auftrag, ein Verbot zu prüfen.
Ein Verbot schadet den Frauen nur, wie Rebecca Angelini von der Zürcher Fachstelle für Frauenhandel (FIZ) bereits in der WOZ ausführte (siehe WOZ Nr. 38/13 ). Die AntiprohibitionistInnen haben aber auch nicht alle recht. Wenn einige plötzlich argumentieren, es gehe bei der Debatte um einen «Angriff auf die männliche Sexualität», dann ist das Blödsinn. Es gibt kein Männerrecht auf Prostitution.
Es geht um Sexismus, Rassismus, Armut – sonst bräuchten wir nicht über Prostitution nachzudenken. Es interessiert deshalb nur eine Frage: Welche Regeln müssen gelten, um die Frauen, die die Arbeit verrichten, so gut wie möglich zu schützen? Da fehlen noch Antworten. Die kommen aber sicher nicht von Alice Schwarzer oder von verwirrten AntiprohibitionistInnen – die können nur von Frauen kommen, die das Gewerbe hautnah kennen.