Zentralafrikanische Republik: Unter dem blutroten Schmetterling
Die alte Kolonialmacht Frankreich will mit ihrer Armee in Afrika auch verloren gegangene Marktanteile zurückerobern. Es geht nicht nur um das Uran in der Zentralafrikanischen Republik.
Opération Sangaris ist der Codename der französischen Militärintervention in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), ihr Symbol ist blutrot. Das soll nicht besonders martialisch sein, sondern eher verspielt: Sangaris ist der Name eines dort heimischen tropischen Schmetterlings, und dessen Farbe ist eben Rot. Der Codename solle suggerieren, dass die Operation so «leicht und kurzlebig» sein werde wie dieser Falter, erklärte ein Militärstratege der französischen Wirtschaftszeitung «Les Échos».
Das ist keineswegs sicher. Zwar wurden die 1600 französischen SoldatInnen im Land in der Mitte Afrikas so freundlich begrüsst wie ihre Waffenbrüder und -schwestern Anfang des Jahres in Mali. Die Intervention dort aber war jedenfalls nicht kurzlebig, noch heute sind in Mali 3000 französische SoldatInnen stationiert. Die ZAR ist im Vergleich dazu ein schwierigeres Gelände: keine wüstenhaften, übersichtlichen und weiten Ebenen, sondern hügeliges und teilweise bewaldetes Savannenland, in dem sich fünf Millionen EinwohnerInnen auf einer Fläche verlieren, die grösser ist als Frankreich. Ideal, um kleinen bewaffneten Gruppen Unterschlupf zu bieten.
Grössenwahnsinniger Monarch
Auch politisch ist die ZAR ein schwieriges Gelände. Frankreich kann kaum damit rechnen, von allen Konfliktbeteiligten als neutrale Friedenstruppe betrachtet zu werden. Zu sehr hat die ehemalige Kolonialmacht in den vergangenen Jahrzehnten bei praktisch allen innenpolitischen Konflikten mitgemischt. Seit der formalen Unabhängigkeit des Landes 1960 wurde das politische und militärische Führungspersonal im Wesentlichen in Paris ausgewählt.
So half Frankreich tatkräftig mit, 1966 Jean-Bédel Bokassa ins Präsidentenamt zu hieven, der dann als Grössenwahnsinniger weltweite Berühmtheit erlangte. 1976 rief Bokassa das Zentralafrikanische Kaiserreich aus, krönte sich selbst zum Monarchen und machte fortan vor allem mit der grausigen Verfolgung und Folterung der Opposition Schlagzeilen. Erst gut drei Jahre später wurde er von seiner Schutzmacht Frankreich gestürzt. Bokassas Reputation war inzwischen so im Keller, dass auch ein spektakuläres Diamantengeschenk, das er zuvor der Gattin von Präsident Valéry Giscard d’Estaing hatte zukommen lassen, nicht mehr half. Frankreich schickte damals in der Opération Barracuda nicht nur Soldaten, sondern mit David Dacko gleich den nächsten Präsidenten in die Hauptstadt Bangui.
Auch der bislang letzte Präsident der Zentralafrikanischen Republik, der Ende März gestürzte François Bozizé, genoss zunächst die Unterstützung seines französischen Kollegen Jacques Chirac. Doch dessen Nachfolger Nicolas Sarkozy liess Bozizé fallen, und so hatte die in der Rebellenkoalition Seleka (Allianz) zusammengeschlossene bewaffnete Opposition leichtes Spiel. Teile dieser wild zusammengewürfelten Truppe verdienten ihren Lebensunterhalt zuvor als lokale Banditen, weshalb mit ihrer Machtübernahme Plünderungen, Überfälle und Vergewaltigungen sprunghaft zunahmen. Als Reaktion darauf bildeten sich – zunächst auf dem Land, dann aber auch in den Städten – weitere bewaffnete Verbände, die inzwischen unter dem Namen Antibalaka (etwa: die sich gegen die Macheten wehren) lose zusammengeschlossen sind. Manche dieser bewaffneten Gruppen sind reine kommunale Selbstverteidigungskomitees gegen Seleka, andere wuchsen schnell zu regelrechten Milizen heran.
Hunderte von Toten
Überlagert wird der Konflikt zwischen Seleka und Antibalaka von religiösen Gegensätzen: Seleka rekrutierte seine Kämpfer vor allem im muslimisch geprägten Norden des Landes an der Grenze zum Tschad und zum Sudan, die dagegen kämpfenden Antibalaka kommen aus den christlichen und animistischen Bevölkerungsgruppen im Zentrum und im Süden der ZAR. Bewaffneten Gruppen ist die Zugehörigkeit zur jeweils anderen Religion Grund genug für brutale Übergriffe auf ZivilistInnen. Allein in der Hauptstadt wurden in der vergangenen Woche mindestens 400 Menschen getötet, rund 10 000 Flüchtlinge drängen sich auf dem internationalen Flughafen. Das französische Aussenministerium weist bereits auf die Gefahr eines Völkermords hin.
Die Ankunft der SoldatInnen aus Frankreich wurde in Bangui deshalb zunächst mit Erleichterung aufgenommen. Die Intensität bewaffneter Auseinandersetzungen soll seit dem vergangenen Wochenende deutlich nachgelassen haben. Es kam aber auch zu ersten Schusswechseln zwischen afrikanischen Milizen und französischen Militärpatrouillen. Am Dienstag meldeten Medien in Paris den Tod von zwei französischen Soldaten. Es ist unwahrscheinlich, dass es die letzten sein werden: Die bewaffneten Gruppen aus dem Zentrum und aus dem Süden sehen die ehemalige Kolonialmacht nicht unbedingt als neutrale Friedensgruppe.
Angriffe von RebellInnen auf Bangui haben schon fast Tradition: 1996, 1997, 2003, 2006 und 2007 hat es solche gegeben, und immer stand Frankreich auf der Seite der jeweiligen Regierung. Nur diesmal hat sich Paris dazu entschieden, einen Machtwechsel zugunsten der Seleka-Milizen zu akzeptieren. Denn Seleka wird von der Regierung des Tschad unterstützt, der einer der engsten Verbündeten Frankreichs in Afrika ist und ein strategisch wichtiger Partner beim Feldzug gegen die Dschihadisten im Norden von Mali. Bei einem «Bürgertribunal gegen den französischen Neokolonialismus in Afrika» in der letzten Woche in Paris nannte die aus der ZAR stammende Aktivistin Denise Yakazangba Frankreich und den Tschad die «Brandstifter» des derzeitigen Konflikts in ihrer Heimat. Nun wolle Frankreich zudem den Feuerwehrmann spielen.
Das ist eine Intervention wert
Der Grund für das Zündeln und Löschen liegt unter dem Boden: Frankreich ist brennend am Uran der ZAR interessiert. Das ist offensichtlich eine kleine Intervention wert. Denn es geht darum, verloren gegangenen Boden zurückzugewinnen. Allein in den vergangenen fünfzehn Jahren haben rohstoffhungrige neue Handelspartner wie China der sich sicher fühlenden und träge gewordenen alten Kolonialmacht in Afrika rund die Hälfte ihrer Marktanteile abgeluchst. Das soll jetzt wieder anders werden. Bei einem Treffen mit UnternehmerInnen kündigte Präsident François Hollande kürzlich an, das Handelsvolumen mit dem Kontinent solle in den kommenden Jahren verdoppelt werden.
Und Handel, so scheint es, sichert man am besten durch enge militärisch Bande ab: Allein im kommenden Jahr will Frankreich 20 000 SoldatInnen aus afrikanischen Staaten ausbilden. So etwas schafft Loyalitäten. Und es mag auch dafür sorgen, dass künftige Interventionen dann tatsächlich so leicht und kurzlebig werden wie der blutrote Sangaris-Schmetterling.
Weiterhin Krieg in Mali
Bald ein Jahr nach dem Beginn der französischen Militärintervention in Mali ist das Land noch immer nicht befriedet. Anfang dieser Woche töteten französische SoldatInnen im Norden des Landes neunzehn angebliche Islamisten. Kämpfer der al-Kaida nahestehenden Milizen halten sich weiterhin in der Wüste nördlich von Timbuktu versteckt. In den vergangenen Wochen nahm die Zahl ihrer Angriffe auf dort stationierte Uno-Blauhelme zu. Im November wurden zudem nahe der Stadt Kidal zwei französische Journalisten getötet. Die Dschihadisten hatten Anfang des Jahres einen Aufstand von Unabhängigkeitskämpfern der Tuareg gegen die malische Regierung in Bamako genutzt, um sich im Norden des Landes festzusetzen.