Abtreibungsinitiative: Lieber weiss und blond

Nr. 3 –

Eigentlich ist die Sache schon gelaufen: Da klettert eine Volksinitiative noch einmal auf die reichlich verstaubten Barrikaden, um für das ungeborene Leben zu kämpfen, aber keine ihrer säuerlichen Begründungen trägt auch nur zwei Sätze weit. Man wende sich nicht gegen die seit 2002 in der Schweiz geltende Fristenlösung, behaupten die Verantwortlichen der Initiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache». Doch gegen was sonst? Die angeblichen Einsparungen der Krankenkassen, die die Initiative vorschiebt, belaufen sich laut dem Krankenversichererverband Santésuisse auf acht Millionen Franken, also Peanuts-grosse 0,04 Prozent der Gesamtausgaben.

Auch das polemische Gerede von «Gewissensfreiheit» – niemand dürfe gezwungen werden, für Dinge zu zahlen, die er moralisch verwerfe – hat einen ziemlich grauen Bart. Beugte man sich diesem Argument, könnte man gleich aufhören, Steuern zu zahlen. Nachweislich falsch ist auch die Behauptung, eine private Finanzierung reduziere die Zahl der Abtreibungen. Im katholischen Österreich werden Schwangerschaftsabbrüche nicht von den Krankenkassen übernommen, die Abbruchquote liegt aber deutlich höher als in der Schweiz.

Dass die Volksinitiative also «jährlich 500 bis 1000 Leben retten» kann, wie ihr Kopräsident, der Schwyzer SVP-Ständerat Peter Föhn, vorrechnet, ist ziemlich unwahrscheinlich, genauso wie die Aussicht, dass sie am 9. Februar eine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich bringt.

Worum geht es also dann? Im Grunde um Symbolpolitik. Es geht um die Frage, was wert sei, gesellschaftlich solidarisch getragen zu werden, und was nicht. Und hier setzt die Initiative durchaus einen Stachel, zumal sie auch im Kontext der Debatte um Risikoverhalten und angebliches Eigenverschulden bei Krankheiten zu sehen ist. Nach dem Willen der InitiantInnen sollen nicht die generellen «Leistungen bei Mutterschaft» solidarisch behandelt werden – also die offene Entscheidung einer Frau für oder gegen Schwangerschaft –, sondern nur die eine, uns heute so teure Seite des Kinderkriegens. Bewusst diskriminierend soll Mutterschaft als gesellschaftlich gewollte Aufgabe erscheinen, Abtreibung dagegen als schädliches Privatvergnügen wie Rauchen oder Übergewicht.

Dass die Entscheidung für einen Abbruch ein sozial verantwortlicher Umgang mit Schwangerschaft sein kann, liegt nicht im Horizont. Genau genommen wäre die Initiative zu begrüssen, wenn sie den Satz «Abtreibung ist Privatsache» wirklich ernst nähme, also den Abbruch als eine ebenso persönliche Entscheidung ansähe wie das Austragen, die als individuelle Entscheidung öffentlichen Schutz verdient. Genau das hiesse Neutralität. Doch Neutralität haben die Lebensschützer natürlich nicht im Sinn, und zwar auch in anderer Hinsicht.

Weisshäutig, langhaarig und blond ist die Frau, mit deren Bild die Initiative auf ihrer Website wirbt. Liebevoll liegt diese Mutter da, Nase an Nase kuschelnd mit ihrem sehr weissen Baby, und lacht: «Ich will doch keine Abtreibungen mitfinanzieren müssen.» Es wirkt, als sagten Mutter und Kind das gemeinsam: Wir beide zahlen nicht für eure Abtreibungen! Wir haben die Arbeit der Geburt hinter uns und müssen faule Verweigerinnen nicht unterstützen. Wir zahlen vor allem auch nicht für die Schwangerschaftsabbrüche von Migrantinnen, sagt der Text darunter: «Rund 50 Prozent aller Abtreibungen in der Schweiz werden von Ausländerinnen mit Wohnsitz in der Schweiz vorgenommen. Die Vermutung liegt nahe, dass Abtreibung als kostenloses Verhütungsmittel missbraucht wird.»

So heisst es im Argumentarium, und dieser Punkt ist nicht unwesentlich für den Geist der Kampagne. Das Idyll, das sie beschwört, ist das der weissen Mutter mit weissem Kind. Der rassistische Unterton passt perfekt zur «Volksinitiative gegen Masseneinwanderung», die auch am 9. Februar zur Abstimmung kommt. Fremde wollen eindringen, nehmen Land und Hab und Gut. Von ihnen gibt es zu viele – obwohl sie mehr abtreiben –, von uns zu wenige. Rassismus und Biopolitik bilden von jeher eine feste Allianz. Sie sind auch bei der Initiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» aufs Schönste vereint.