Fussball und andere Randsportarten: Was hat das alles mit Sport zu tun?

Nr. 4 –

Grossereignisse in diesem Jahr.

2014 wird bestimmt ein tolles Sportjahr. Immerhin bekommen wir gleich zwei Sportanlässe von epischen Ausmassen zu sehen. Wobei «live» natürlich nichts anderes als ein Euphemismus für «im Fernsehen» ist. Denn eine Reise zur Fussballweltmeisterschaft wird sich hierzulande kaum jemand leisten können, nicht, nachdem 1:12 an paranoider Propaganda gescheitert ist.

Also nicht dass eine Reise nach Brasilien grundsätzlich so teuer wäre, aber während der WM werden nichts ahnende TouristInnen für einen simplen Kaffee mehr hinlegen müssen als an der Zürcher Bahnhofstrasse – was doppelt paradox ist: Das schwarze Gold wird dort praktisch vor Ort angebaut, während es bei uns zuerst gefiltert, gepulvert und in eine aluhaltige Kapsel gepresst werden muss, bis es unseren Gaumen zugemutet werden kann. Das soll verstehen, wer will. Und mit den Ticketpreisen, an denen sich Figuren wie Sepp Blatters Neffe eine goldene Nase verdienen, will ich an dieser Stelle gar nicht anfangen.

Im Vergleich dazu scheint eine Reise zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi geradezu wie eine M-Budget-Alternative. Natürlich sind die Spiele von ähnlichem Gigantismus durchzogen, aber mindestens die Preise vor Ort sollten doch ein bisschen tiefer sein, nicht zuletzt wegen der SportlerInnen: Während an der Fussball-WM kaum ein Spieler auf dem Platz stehen wird, der nicht seine halbe Million pro Jahr nach Hause trägt, handelt es sich bei den olympischen AthletInnen (zumindest formell) ja immer noch um AmateurInnen. Und so ein tadschikischer Eisschnellläufer dürfte wohl kaum genug verdienen, um sich mehr als einen Kaffee zu Zürcher Preisen pro Jahr leisten zu können – woran man nur sieht, dass es eine gute Idee war, die Winterspiele nicht im Bündnerland auszutragen. Die örtliche Gastronomie wäre am Preisdruck sofort zugrunde gegangen.

Kommt noch dazu, dass so ein kleiner Winterausflug nach Sotschi mit Sicherheit einen kleinen Erlebnisfaktor mit sich bringt. Egal wer Sie sind und wie Sie sich benehmen – die Chance, dass Sie verhaftet werden, ist ziemlich gross. Falls Sie (das gilt insbesondere für die Hipster unter Ihnen) nicht schon an der Grenze als potenzieller Schwulenpropagandist abgefangen werden, halten Sie sich auf jeden Fall fern von chinesischen EiskunstläuferInnen: «Rainbow-Hitler» (danke, Hazel Brugger) Wladimir Putin hat mehrfach klargemacht, dass er nichts gegen Schwule habe – solange sie sich von Kindern fernhalten.

Halten Sie sich übrigens genauso fern von jeglichen AmerikanerInnen. Die Tatsache, dass Präsident Barack Obama, anstatt selbst anzureisen, drei geoutete Homosexuelle als Teil der US-Delegation nach Russland schicken wird, wird nicht zuletzt von Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees wie zum Beispiel dem Italiener Mario Pescante als Rückfall in die Zeiten des Kalten Kriegs gewertet. Wobei ich dazu fairerweise sagen muss, dass Pescante ein Idiot ist, der Diplomatie nicht erkennen würde, wenn man sie ihm auf die Nase setzen würde – er ist Sportlehrer und Mitglied dieser Berlusconi-Partei, die alle fünf Minuten ihren Namen ändert. Abgesehen davon ist jedes einzelne Mitglied der US-Delegation mehr Mann, als es Pescante jemals sein wird. Das gilt insbesondere für den Superhelden Brian Boitano und die Eishockeyspielerin Caitlin Cahow.

Und natürlich sind die Spiele – wenn man denn den leicht hysterisch gefärbten Berichten aus Russland und den USA glauben will – anscheinend die Zielscheibe für den «islamischen Terror». Passen Sie also auf, wenn Sie den Schal zu hoch und die Kapuze zu tief ins Gesicht ziehen – das könnte Ihnen schnell als Burka ausgelegt werden. Und wenn Sie mich jetzt fragen: «Was hat denn das alles bloss mit Sport zu tun?», dann kann ich Ihnen nur antworten: Das ist die einzig richtige Frage.

Etrit Hasler überkommt jedes Mal ein heftiger Brechreiz, wenn ein Sportfunktionär die Phrase «Politik hat im Sport nichts verloren» von 
sich gibt. Deswegen ist er auch so schlank.