Dänemark: Energie-Veto für Goldman Sachs

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Die Entscheidung, einen Teil des staatlichen Energiekonzerns an eine US-Investmentbank zu verkaufen, sorgt nicht nur für eine Regierungskrise. Sie stellt die gesamte Klimapolitik Dänemarks infrage.

«Dumme Dänen» stand auf Transparenten, mit denen am Mittwoch vergangener Woche vor Schloss Christiansborg in Kopenhagen, dem Sitz des dänischen Parlaments, demonstriert wurde. Der Protest richtete sich gegen Pläne der Regierung und einer Parlamentsmehrheit, den staatlichen Energiekonzern Dong Energy teilweise zu privatisieren. Einen Tag später war dieses energiepolitische Vorhaben parlamentarisch tatsächlich abgesegnet – und die Regierungskoalition zerbrochen.

Mehrere Parlamentsabgeordnete der bis vor kurzem mitregierenden VolkssozialistInnen (Socialistisk Folkeparti) wollten nämlich nicht zu den «dummen» PolitikerInnen gehören. Sie kündigten an, den Privatisierungsplan ablehnen zu wollen. Die Parteivorsitzende Annette Vilhelmsen zog daraufhin die Konsequenzen: Sie berief die sechs MinisterInnen ihrer Partei aus der sozialdemokratisch geführten Koalitionsregierung ab und erklärte ihren eigenen Rücktritt. Die erstmalige Beteiligung einer sozialistischen Partei an einer dänischen Regierung gehörte damit nach gut zwei Jahren der Vergangenheit an. Die verbliebene sozial-liberale Zweiparteienregierung verfügt nur noch über ein Drittel der Stimmen im Parlament.

Deal mit der Investmentbank

Dem Austritt der VolkssozialistInnen war ein längerer Streit um das Schicksal von Dong Energy vorausgegangen, das zu 75 Prozent Staatseigentum ist. Wie die meisten europäischen Energieunternehmen kämpft Dong derzeit um seine Profitabilität und steht gleichzeitig vor grossem Investitionsbedarf. Dänemark – ein Land ohne Atomkraft – hat ehrgeizige Klimaziele: Mehrere Kohle- und Gaskraftwerke von Dong sollen abgeschaltet und vorwiegend durch Windkraftwerke ersetzt werden.

Schon 2008 hatte eine konservativ-liberale Regierung zur Befriedigung des Kapitalbedarfs des Konzerns einen Börsengang geplant, diesen angesichts der Finanzkrise aber in letzter Minute gestoppt. 2013 wollte man Dong erneut an die Börse bringen, doch nun machten die schlechten Geschäfte einen Strich durch die Rechnung. Die Regierung suchte daraufhin nach einem Investor, der ein Viertel des staatlichen Besitzes pauschal übernimmt.

Sie fand diesen mit der US-Investmentbank Goldman Sachs. Also ausgerechnet mit einem Institut, das sich in der Vergangenheit durch besonders fragwürdige Geschäfte hervorgetan hat und dem die Hauptverantwortung für die Finanzkrise in den USA sowie die Eurokrise vorgeworfen wird. Zwar zeigten sich auch die Pensionskassen dänischer Gewerkschaften an einem Einstieg bei Dong interessiert, doch das sozialdemokratisch geführte Finanzministerium entschied sich wegen des angeblich besseren Angebots für Goldman Sachs.

Gefährdete Energiewende

Doch warum gibt ein bisheriges klimapolitisches Vorbildland einen Teil seiner Kontrolle über die Energieinfrastruktur auf und verscherbelt so ein zentrales Steuerungsinstrument für den künftigen energiepolitischen Kurs? Viele EnergieexpertInnen, Demonstrierende vor Christiansborg, aber auch einige der 200 000 DänInnen, die eine Onlinepetition gegen den Deal unterschrieben haben, verglichen die Art, wie sich Kopenhagen über den Tisch ziehen liess, mit dem Verhalten von Entwicklungsländern, die für kurzfristigen Gewinn ihre natürlichen Ressourcen an multinationale Konzerne verschleudern.

Denn für die umgerechnet rund 1,3 Milliarden Franken, die Goldman Sachs der Einstieg bei Dong kostet, wird den BankerInnen ein umfassendes Vetorecht bei Beschlüssen über grössere Investitionen, Käufe und Verkäufe eingeräumt. Und das, so die Befürchtung, könnte die für die kommenden Jahre geplante «grüne Umstellung» der dänischen Energieproduktion ernsthaft gefährden. Zumal es der US-Bank nicht verwehrt wäre, ihre Anteile in einigen Jahren beispielsweise an die russische Gazprom oder einen anderen Energieriesen weiterzuverkaufen, an den dieses Vetorecht dann überginge.

Doch das ist nicht alles: Goldman Sachs wird für seine Dong-Beteiligung in Dänemark keine Krone Steuern zahlen. Die Aktien dürfen auch in Steuerparadiesen platziert werden und damit ausserhalb des Zugriffs der dänischen Finanzbehörden. Womit der dänische Staat und noch dazu eine sozialdemokratisch geführte Regierung Beihilfe zu dem leistet, was sie offiziell bekämpfen will: Steuerflucht.

Kein Wunder, dass es auch bei den SozialdemokratInnen rumort. Deren ehemaliger Vorsitzender und Exministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen kritisiert offen seine Nachfolgerin Helle Thorning-Schmidt: Wie da «grosse Gemeinschaftswerte verschenkt werden», an was für ein «Unternehmen mit schmutzigem Ruf» und zu welchen Bedingungen, das tue «regelrecht körperlich weh», sagte er in einem Interview.