Dänemark: Ein mitverschuldeter Rechtsrutsch
In Dänemark werden die RechtspopulistInnen zur zweitstärksten politischen Kraft. Die SozialdemokratInnen halfen kräftig mit.
Das Bild vom Norden als letzte tolerante Bastion Europas hat tiefe Risse bekommen. Begonnen hatte es vor eineinhalb Jahren in Norwegen: Dort regiert seither die rechtspopulistische Fortschrittspartei zusammen mit der konservativen Höyre. Ein Jahr später rückte bei den schwedischen Parlamentswahlen mit den Schwedendemokraten eine ausländerfeindliche Partei auf den dritten Platz. Im April zogen die Wahren Finnen als zweitstärkste Kraft in die finnische Regierung ein, und vergangene Woche machte ihnen das in Dänemark die Dänische Volkspartei nach: Mehr als zwanzig Prozent der dänischen WählerInnen stimmten für eine Partei, die die Grenzen am liebsten ganz dicht machen würde und das Land auf einen EU-skeptischen Kurs bringen möchte.
Den Rechten nachgeeifert
Das Schlimmste daran sei die «Unfähigkeit der anständigen Parteien, Alternativen zur Fremdenfeindlichkeit und zum antieuropäischen Populismus zu entwickeln», meint ein Kommentator in der unabhängigen linken schwedischen Netzzeitung «Dagens Arena». Gerade die Wahl in Dänemark beweise nämlich in aller Deutlichkeit, was passiere, wenn Konservative, Liberale und SozialdemokratInnen meinten, sie könnten den RechtspopulistInnen das Wasser abgraben, indem sie deren islamophober und antieuropäischer Agenda nacheiferten.
Schon Monate vor den Neuwahlen hatte die sozialdemokratische dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt die Ausländerkarte gezogen. Das Asylrecht wurde so geändert, dass Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie Syrien nicht mehr Asyl, sondern nur noch eine einjährige, vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung ohne die Möglichkeit eines Familiennachzugs erhalten. Die Regierung verkaufte diese Änderung stolz als «grösste ausländerrechtliche Restriktion der letzten zwölf Jahre». Wochenlang forderte die sozialdemokratische Regierungspartei auf Plakaten strammere Asylregeln und versuchte, mit Werbeslogans wie «Kommst du nach Dänemark, sollst du arbeiten» zu punkten. Die Kampagne verkörperte Werte, die früher ausschliesslich die rechtspopulistische Dänische Volkspartei vertreten hatte. «Der dänische Nationalismus ist auf dem Weg zu neuen Höhen», kommentierte denn auch die liberale Tageszeitung «Politiken».
«Unwürdig», ein «Widerspruch zu sozialdemokratischen Grundwerten» und ein «Kniefall vor niedrigsten Instinkten» lautete die Kritik denn auch aus den eigenen Reihen: Schwedische SozialdemokratInnen sahen die dänische Schwesterpartei mit ihrer ausländerpolitischen Linie «politischen Selbstmord» begehen, und der dänische Schriftsteller Rune Engelbreth Larsen warf der Regierungspartei vor, sie schreibe ihren eigenen Nekrolog. Doch Helle Thorning-Schmidt wies die Vorwürfe von Nationalismus, Populismus oder gar Rassismus zurück: Sie habe die Partei dorthin geführt, wo sie «hingehöre».
Für den Staatswissenschaftler Kasper Möller Hansen ist klar, dass die SozialdemokratInnen versucht hätten, der Volkspartei Stimmen abspenstig zu machen. Wenn sich die etablierten Parteien jedoch auf einen Wettlauf um die restriktivste, unanständigste Ausländerpolitik einliessen, gewinne im Zweifelsfall das Original.
Erfolg für «Hippiepartei»
Die Wahl habe aber auch bewiesen, dass sich «mit klaren Visionen und dem Wunsch nach deutlichen Veränderungen durchaus Wähler ansprechen lassen», sagt Möller Hansen. Während die SozialdemokratInnen leicht dazugewannen, sind die Linksliberalen und die LinkssozialistInnen für ihre Konturlosigkeit bestraft worden und haben jeweils mehr als die Hälfte ihrer Stimmen verloren. Reüssiert hat die Einheitsliste. Diese Linkspartei mit kommunistischen Wurzeln konnte ihre Position unter der Vorsitzenden Johanne Schmidt-Nielsen weiter ausbauen: Mit knapp 8 Prozent wurde sie viertstärkste Partei. Die neu gegründete rot-grüne Alternativet wurde mit knapp 5 Prozent gleich die fünftgrösste von neun Parlamentsparteien. Im alternativen Kopenhagener Stadtteil Nörrebro kamen Einheitsliste und Alternativet zusammen sogar auf 45 Prozent.
Die auch schon mit dem Etikett «Hippiepartei» bedachte Alternativet stellt den herkömmlichen Wachstumsbegriff infrage, will einen Bruch mit neoliberalen Wirtschaftsdoktrinen, Dänemark ökologisch umbauen, eine Dreissigstundenwoche und insgesamt eine andere politische Kultur mit mehr direktdemokratischen Elementen. Sie orientiert sich nach eigener Aussage weniger an Europas grünen Parteien als an Spaniens Podemos. Und das ist in jedem Fall ein Bruch mit der Art und Weise, wie Politik in Dänemark bislang gedacht wurde.