Philip Seymour Hoffman (1967–2014): Voller Körpereinsatz

Nr. 6 –

Er war wahrlich kein Frauentyp. Blass und wässrig wirkte er, dazu alles andere als athletisch, trotz einer kurzen Vergangenheit als Ringer. Das Schmierige, Feige, Verdruckste der Typen, die er verkörperte, stiess ab. Der Stalker Allen etwa, der in «Happiness» eine Frau am Telefon belästigt und dabei wichst, der grosskotzige Freddy, der sich ungebeten in die Angelegenheiten Tom Ripleys mischt («Der talentierte Mr. Ripley») oder der lüsterne Pastor in «Cold Mountains». Und dennoch hat Philip Seymour Hoffman diesen Ängstlichen und Verqueren, die neben den Strahlemännern agierten, eine beängstigende Tiefe gegeben. Beängstigend, weil er da etwas auf die Leinwand bannte, das in den meisten rumort, aber weggedrückt wird. Das männliche Publikum mag Angstlust befallen haben, das weibliche von schauderndem Mitleid ergriffen worden sein, wenn es diesem Ausnahmeschauspieler, der vollen Körpereinsatz mit mentaler Präsenz zu verbinden verstand, folgte. Der Job ist nicht schwer, sagte Hoffman einmal, aber es ist schwer, ihn richtig gut zu machen.

Er hat in fast allen Filmen von Paul Thomas Anderson, einem Jugendfreund, mitgespielt. Einen Glücksfall nannte Hoffman das, denn vor dem brauchte er nichts zu verbergen. Aber erst Bennett Millers «Capote» (2005), die Filmbiografie über den US-amerikanischen Schriftsteller Truman Capote, hat ihm den Durchbruch und einen Oscar eingebracht. Da steht er, fahrig, mit lispelnder Fistelstimme mitten in den Jetsetpartys New Yorks, ein lästernder Aussenseiter. Ebenso «draussen» wie die beiden Mörder, die 1959 eine ganze Familie ausgerottet haben sollen und über die er recherchiert und denen er das Gefühl gibt, einer wie sie zu sein.

Es ist eine eindrückliche Studie über die Auslotung von Grenzen: Wie weit darf man gehen, um eine gute Story zu bekommen? Ist jedes Mittel recht, wenn damit die Glaubwürdigkeit der Geschichte belegt werden kann? Capote, ein skrupellos Eitler oder nur ein Schwacher, der instinktsicher seinen Vorteil nutzt?

Seine Grenze im Leben hat Hoffman nun überschritten. Er starb vermutlich an einer Überdosis Heroin.