Film «Tableau Noir»: Die Figur des Lehrers

Nr. 11 –

Die Schweizer Schulstube braucht Artenschutz oder ein Denkmal. Sie ist bedroht. Nicht nur die kleine Gesamtschule im hohen Neuenburger Jura, die Yves Yersin in seinem neuen Film «Tableau Noir» porträtiert – auch die gesamte gute alte Volksschule: bedroht durch Spardruck, überladene Anforderungsprofile und permanenten Reformstress. Im Licht des Abschieds wirkt oft, was sonst nicht immer eitel Freude war, schön und erhaben. Yersin, seit seinen Erfolgen in den siebziger Jahren («Les Petites Fugues») kaum mehr als Regisseur präsent, zeigt mit «Tableau Noir» nichts weniger als das Beste der vielleicht wichtigsten Schweizer Institution.

Der Lehrer ist ein Allrounder. Nicht nur unterrichtet er alle Klassen gleichzeitig, er ist auch Busfahrer, Regisseur, Tröster und derjenige, der Dinge zeigt und Freiräume lässt. Der Film erhält seine Kraft von symbolisch aufgeladenen Schlüsselszenen wie etwa beim Schwimmen, wo die Kinder sich horizontal auf die Wasseroberfläche legen und darauf vertrauen, von ihren SchulkameradInnen gehalten zu werden. Aber «Tableau Noir» ist auch realistisch, indem die Kamera Streit, Rangelei und unangenehme Gruppensituationen einfängt.

Man kann sich fragen, warum es gut zehn Jahre nach dem wunderbaren Film «Être et Avoir» von Nicolas Philibert über eine französische Gesamtschule und ihren bald pensionierten Lehrer noch «Tableau Noir» braucht, der fast exakt die gleiche Geschichte erzählt. Aber in der Doublette zeigt sich oft schon eine Tendenz. Und nebst dem Aufruf, der Volksschule und ihren besonderen Qualitäten dieselbe Sorge zukommen zu lassen wie Lehrer Gilbert Hirschi seinen SchülerInnen, liegt diese vielleicht auch im Hinweis auf den bleibenden Wert einer Väterlichkeit, die von alten, gütigen Lehrerfiguren ausgehen kann. Und da gibt es ja fast zeitgleich im Kino auch noch den phänomenalen Lehrer Christian Zingg in «Neuland» von Anna Thommen zu besichtigen.

Ab 13. März 2014 in den Kinos.

Tableau Noir. Regie: Yves Yersin. Schweiz 2013