Fussball und andere Randsportarten: Cool Runnings im Osten

Nr. 14 –

Etrit Hasler über mediale Verachtung, Gangsta-Rap und die Wok-WM

Wenn Sie noch nie von Kiko und Boro gehört haben, sind Sie nicht allein. Selbst in ihrer Wahlheimat St. Gallen wird das dominikanisch-schweizerische Brüderpaar meist ignoriert. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die beiden sind Vertreter des Gangsta-Raps – jenes Genres, über das nur dann geschrieben wird, wenn wieder jemand die hysterische These hervorkramt, dass Gewalt in der Musik zu Gewalt auf der Strasse führt. In den Radios und im Musikfernsehen sind Gangster-Rapper unerwünscht – so bleiben Gassenhauer wie «Mörderstadt Pussies» und «Scheiss uf die» einem breiten Publikum vorenthalten, und durchaus poetische Zeilen wie «Ich finanzier mer Chinder und Auto mit Indoor und Outdoor» oder «weil de Neger isch kein Egoischt» verhallen ungehört.

Ausser sie werden im Rahmen des Peinlichkeitsformats «Cover Me – Rap trifft Evergreen» in Kleinstausschnitten auf SRF gezeigt. Dort trafen Kiko und Boro vor zwei Jahren auf Monika Kälin – die zur allgemeinen Überraschung mit den beiden Champagner aus Goldbechern schlürfte und sie «eso herzig» fand, dass sie ihre sofortige Einbürgerung forderte. Umgekehrt adelte Kiko die in die Jahre gekommene Schlagerkönigin als «echten Gängster» – nicht zuletzt, weil Kälin sich in ihren Jugendjahren für das «Penthouse» ausgezogen hatte.

Doch die mediale Verachtung für das St. Galler Rapperduo geht über die Musik hinaus. Anders ist es kaum zu erklären, dass nur gerade in einem Pendlerblatt zum Wegwerfen zu lesen war, dass Kiko und Boro in die Sportwelt eingestiegen sind – als Manager des jamaikanischen Bobteams. Des Teams aus der halbwahren US-amerikanischen Quatschkomödie «Cool Runnings», die die Bobfahrer weltberühmt und zu Werbeträgern für Kentucky Fried Chicken gemacht hatte. Eingefädelt wurde der Managementdeal vom Wittenbacher Luxushändler Antonio Piredda, bei dessen Label 361 Grad sie unter Vertrag stehen, und unterstützt wurden sie vom Düsseldorfer Dokfilmer David Vehreschild – eine kuriose Kombination? Vielleicht. Aber anscheinend ein Rezept zum Erfolg.

Das Team qualifizierte sich zum ersten Mal seit zwölf Jahren für die Olympischen Spiele. Für einen Medaillenplatz reichte es in Sotschi zwar nicht – dafür gab es viel internationale Berichterstattung, zum Beispiel auf BBC. Nur eben nicht in St. Gallen. Nicht einmal, als das Team beim deutschen Dauergrinser Stefan Raab die Wok-WM gewann (ein bobähnliches Rennen, bei dem vier Menschen in einer modifizierten Pfanne einen Eiskanal hinabrasen), war der Erfolg den Lokalblättern eine Zeile wert.

Warum? Man habe durchaus darüber geredet, sich aber redaktionsintern entschieden, dass die Geschichte «zu kommerziell» sei, wie mir ein Mitarbeiter der zur NZZ gehörenden «St. Galler Tagblatt»-Gruppe erklärte. Vielleicht muss man das ja verstehen. Kommerz und Sport, das klingt nach Teufelszeugs, oder? Die beiden Rapper mögen sich darüber gar nicht aufregen. «Das müssen die selber wissen, ob sie St. Gallen noch kleiner machen wollen, als es schon ist», sagt Kiko am Telefon und beginnt, begeistert von den weiteren Plänen für das Bobteam zu erzählen.

«Den meisten ist nicht klar, dass Bobfahren der teuerste Wintersport überhaupt ist. Der Bob selber, der Transport, die Logistik, das ist schon ein Riesen-Hustle», erzählt Kiko. Den Bob konnten sie durch Kontakte, die sie an der Bob-WM in St. Moritz knüpften, aus zweiter Hand kaufen. Und nach Sotschi hätten sie einen neuen Fahrer für die Wok-WM suchen müssen – «Bis dahin hatte der noch nie Schnee gesehen», sagt Kiko –, was den Sieg bei Raab umso ausserordentlicher macht. Aber das Schwierigste hätten sie hinter sich. Noch ein paar Sponsoren und Vertragsverhandlungen mit dem jamaikanischen Bobverband, die sich auch nicht nur einfach gestalten. «Aber dann sind wir ready für die nächsten Olympischen Spiele in Korea», sagt Kiko. Und man fragt sich wirklich, wieso diese Geschichte keiner zuvor erzählen wollte.

Der Kälin-Cover-Song «Urlaub im Schwizerland» von Kiko und Boro ist auf iTunes erhältlich. Etrit Hasler kann den Titel mit gutem Gewissen zum Download empfehlen – auch wenn er eigentlich kein Gangsta-Rap-Fan ist.