Verdingkinder: Mehr als nur symbolisch
Vergangenen Montag posierte eine Gruppe älterer Menschen mit Kinderfotos vor dem Bundeshaus. Es handelte sich dabei um einige der vielen Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen, wie sie in der Schweiz bis 1981 durchgeführt wurden. Die einen wurden als Kinder an Bauernhöfe verdingt, wo sie wie Leibeigene gehalten wurden, andere wegen angeblich «lasterhaften Lebenswandels» oder «Liederlichkeit» in psychiatrische Anstalten oder Strafanstalten weggesperrt oder gar zwangssterilisiert – ohne Gerichtsurteil und damit ohne Möglichkeit, sich gegen die Massnahmen zu wehren.
Noch heute leiden schätzungsweise gegen 20 000 Direktbetroffene unter den Folgen solcher Massnahmen. Angesichts dessen kam die Entschuldigung der Landesregierung, vorgetragen durch Justizministerin Simonetta Sommaruga im April 2013, viel zu spät.
Vor drei Wochen hat der Ständerat einen Entwurf zu einem Gesetz gutgeheissen, das die Opfer «rehabilitieren» und ihnen Zugang zu den Akten verschaffen soll. Damit verbunden sollen auch der Umgang mit den Verdingkindern und seine Folgen historisch aufgearbeitet werden.
Nicht darin festgeschrieben ist eine finanzielle Wiedergutmachung. Besonders herzlos ist dabei die Haltung des Bauernverbands, der sich nicht einmal an einem Soforthilfefonds für Verdingkinder beteiligen will, die in Bauernfamilien platziert wurden. Gemäss Sommaruga soll dieser Fonds, der mit fünf Millionen Franken aus dem Lotteriefonds sowie aus Spendengeldern gespeist werden soll, Opfern zugutekommen, die unter finanzieller Not leiden.
Das alles ist gut gemeint. Aber viel zu wenig. Dem Ausmass des Unrechts gerechter wird die Volksinitiative, die einige Betroffene mit ihrer Aktion vor dem Bundeshaus Anfang dieser Woche mit einem überparteilichen Komitee lanciert haben. Ziel ist ein Wiedergutmachungsfonds über 500 Millionen Franken, der schwer betroffenen Opfern zugutekommen soll.
Wiedergutmachen lässt sich auch damit nichts. Das Unrecht mehr als nur symbolisch würdigen und einen Teil der Not lindern, unter der viele Opfer heute noch leiden, jedoch schon.