Agrarpolitik II: Du sollst keine Badewanne als Brunnen haben

Nr. 21 –

«Mehr Ökologie» ist ein anderes agrarpolitisches Schlagwort der letzten zwanzig Jahre. Neu gibt es auch Beiträge für Landschaftsqualität. Wird die Schweiz damit zum Freilichtmuseum?

Ulrike Minkner verbringt gerade viel Zeit vor dem Computer. Die Vizepräsidentin der bäuerlichen Gewerkschaft Uniterre, die mit ihrem Partner einen Hof im Berner Jura bewirtschaftet, versucht mit der Anmeldung für die neuen Landschaftsqualitätsbeiträge des Bundes klarzukommen. Eine Herausforderung: Gilt die Baumreihe an der Zufahrtsstrasse als Allee, auch wenn alle Bäume auf der gleichen Seite stehen? Gibt es Beiträge für die halb zerfallenen Steinmäuerchen? Für die Zäune mit Holzpfosten? Und was ist mit Zäunen auf der Grundstücksgrenze?

Schon drei Nachmittage habe sie damit «vertublet», und dann scheiterte auch noch das Ausdrucken der Infoblätter. Der Ackerbaustellenleiter, ein Bauer aus der Region, der LandwirtInnen bei solchen Aufgaben unterstützt, werde von AntragsstellerInnen überrannt: «Er erzählte mir, er sitze momentan jeden Abend bis Mitternacht mit Bauern vor dem Computer.»

Geld für «Ordnung auf dem Betrieb»

Die Landschaftsqualitätsbeiträge sind Teil des neusten agrarpolitischen Vierjahresplans, der Agrarpolitik 2014–2017. Sie sollen «landschaftliche Kulturwerte» und «attraktive Landschaften» fördern. Als Beispiele nennt das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) Kastanienselven, Äcker im Berggebiet oder Waldweiden. Letztere gibt es auch auf Ulrike Minkners Hof. Umgesetzt werden die Landschaftsqualitätsprojekte auf kantonaler Ebene: Die Kantone haben insgesamt 71 regionale Projekte beim BLW zur Prüfung eingereicht.

In wenigen Regionen Europas wurde die Landschaft so radikal ausgeräumt und den Maschinen angepasst wie im Schweizer Mittelland. In den Alpen und im Jura blieben vielfältige Landschaften erhalten, doch auch sie sind bedroht: von intensiver Düngung und Strassenbau, aber auch vom Verwalden. Landschaftsförderung ist also notwendig. Aber wie?

Anders als bei den Biodiversitätsbeiträgen, die die Artenvielfalt fördern sollen, steht bei den Landschaftsqualitätsbeiträgen die Ästhetik im Vordergrund. Und hier beginnt das Problem: Biodiversität lässt sich einigermassen objektiv erfassen – wachsen bestimmte Blumen auf einer Wiese, gibt es mehr Geld. Aber wer definiert Schönheit? «Für wen soll es schön sein? Für Touristen?», fragt Ulrike Minkner. Landschaften für die «Erholungsnutzung» aufzuwerten, ist ein erklärtes Ziel des BLW.

Ein Teil davon ist Landschaftspflege im engeren Sinn. Die Innerschweizer Kantone möchten etwa die Pflege von Hecken, Alleen, Hochstammbäumen oder Kleingewässern entschädigen. Beiträge soll es aber auch für «Ordnung auf dem Betrieb» geben: «Die gesamte Betriebsfläche inklusive Hofareal und weitere Betriebsgebäude hinterlassen einen ordentlichen Eindruck und fördern damit ein positives Image der Landwirtschaft», heisst es im Luzerner Projektentwurf. Oder für «Verzicht auf Siloballen oder deren ordentliche Lagerung». Ebenso für den «Ersatz von stählernen Badewannen durch Holz- oder Steinbrunnen» – auch Betonbrunnen sind erwünscht, Hauptsache, die Rinder trinken nicht aus einer Badewanne. Mit 450 Franken wird eine Heutriste belohnt («mindestens zwei Meter hoch»), auch wenn es heute keine praktischen Gründe mehr gibt, Heu im Freien aufzuschichten. «Der Duft von frisch geschnittenem Gras und der Anblick von Heumaden können ein Gefühl von Sommer vermitteln», steht im Bericht der Beratungszentrale Agridea.

Was ist noch sinnvolle Landschaftspflege, wo beginnt die reine Musealisierung? Ist es wirklich die Aufgabe des Landwirtschaftsbudgets, Holzbrunnen und Heuhaufen zu fördern?

Blumen neben Gift

«Die Agrarpolitik versucht, Dinge zu trennen, die untrennbar verbunden sind», sagt der Berner Agrarhistoriker Peter Moser. «Denn es war gerade die Produktion von Nahrungsmitteln durch die bäuerliche Landwirtschaft, die die Kulturlandschaften geschaffen hat, die wir heute schön finden. Heute werden jedoch landwirtschaftliche Produktion und Landschaftspflege getrennt und separat abgegolten: das eine am Markt, das andere durch Direktzahlungen.» Je grösser der Druck werde, standardisierter und «effizienter» Nahrungsmittel zu produzieren, desto tiefer werde die Spaltung zwischen den beiden Bereichen. «Die Agrarpolitik versucht, etwas zu retten, was sie selbst mit anderen Massnahmen gleich wieder gefährdet.» Als Beispiel nennt Moser den vom Bundesrat gewünschten Milchfreihandel mit der EU (vgl. «Luxusjoghurts für die Reichen Europas produzieren» ), der zwangsläufig zu einer Standardisierung der Betriebe führen würde – mit Auswirkungen auch auf die Landschaft.

Ulrike Minkner sieht es ähnlich: «Grundsätzlich wird die Landwirtschaft immer industrieller, und als Entschädigung gibt es schöne Hecken und Mäuerchen. Oder einen Blumenstreifen neben einem mit Glyphosat gespritzten Feld. Das Ziel sollte doch sein, flächendeckend umweltschonend zu produzieren.»

Die Diskussion darüber, welche Landschaften wir wollen und was ihre Erhaltung und Pflege wert ist, ist wichtig. Aber sie bleibt oberflächlich, wenn sie nur von Ästhetik handelt. Dann wird Landschaft zu einem Konsumobjekt für die gestresste Dienstleistungsgesellschaft, zu einem schönen Hintergrund, durchdesignt wie ein Bildschirmschoner. Um der Bedrohung der Landschaft auf den Grund zu gehen, müssen wir dagegen von Stoffflüssen reden: vom Erdöl, von dem auch die Landwirtschaft abhängig geworden ist und das so etwas Absurdes wie Milchtransporte quer durch Europa erst ermöglicht. Aber auch vom Rest der Wirtschaft mit ihrem zerstörerischen Wachstumszwang.

Sonst droht sich die Spaltung immer mehr zu vertiefen: Ballenberg und Industrie. Bei den einen BäuerInnen bewundern wir die schöne Landschaft. Das Essen kommt aber von den anderen. Von Feldern, auf denen man ganz, ganz lange geradeaus fahren kann.