Agrarpolitik 2014–2017: Aber was heisst ökologisch?
Der Bund hat die Details zum neuen Vierjahresplan in der Agrarpolitik veröffentlicht. Es hagelt Kritik von allen Seiten – dabei ist die bäuerliche Opposition so widersprüchlich wie die Vorlage selbst.
Etwa alle fünf Jahre wird die Agrarpolitik (AP) umgekrempelt. Der neuste Vierjahresplan heisst AP 14–17 und wurde in der Frühjahrssession fertig beraten. Nun hat der Bund die dazugehörige Verordnung entworfen. Ein typisch schweizerischer Kompromiss: Niemand ist damit zufrieden. Über die Gründe für die Unzufriedenheit ist man sich allerdings ganz und gar nicht einig.
«Der Verordnungsentwurf bekräftigt den Kurs in Richtung Ökologisierung», schreibt der «Schweizer Bauer». Der Verein Vision Landwirtschaft, der Biodiversität und Landschaftsqualität stärken will, diagnostiziert hingegen eine «unhaltbare Verwässerung» der Reform in Bezug auf ökologische Anliegen. Tatsächlich sind etwa die Beiträge für das Mähen von Steilhängen, mit denen BergbäuerInnen besser entschädigt werden sollen, unerwartet knapp ausgefallen. Auch das Budget für das Programm «Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion», das der Kritik am steigenden Kraftfutterverbrauch Rechnung trägt, ist knausrig bemessen.
Landwirtschaft ist kein Planspiel
Einige kleine Organisationen sowie zwei Sektionen der bäuerlichen Gewerkschaft Uniterre haben nun das Referendum gegen die AP 14–17 ergriffen. Zwei Sektionen, nicht der ganze Verband – auch hier war man sich nicht einig.
Die angebliche Ökologisierung der neuen AP sei gar keine, sagte der Genfer Uniterre-Vertreter Rudi Berli letzte Woche vor den Medien. Denn wenn in der Schweiz weniger produziert werde, stiegen die Lebensmittelimporte: Es würden mehr Produkte gekauft, die zu schlechteren ökologischen und sozialen Bedingungen produziert worden seien als Schweizer Lebensmittel. Das sei nicht ökologisch.
Das stimmt. Aus diesem Grund wäre es nicht ökologisch, die ganze Schweizer Landwirtschaftsfläche in eine ungedüngte Blumenwiese zu verwandeln, obwohl das die Biodiversität fördern würde. Nur: Führt die AP 14–17 überhaupt zu einer abnehmenden Produktion? Darüber sind sich BefürworterInnen und GegnerInnen nicht einig. Die landwirtschaftlichen Forschungsanstalten haben zwar Szenarien entworfen, aber wie sich Preise und Mengen global entwickeln, wissen auch sie nicht. Landwirtschaft ist kein Planspiel. Und BäuerInnen verhalten sich nicht immer ökonomisch rational.
In einem hat das Referendumskomitee sicher recht: Die AP 14–17 ist widersprüchlich. Sie soll den Ackerbau fördern, senkt aber die Zölle auf Brotgetreide, verbilligt also den Import. Sie stärkt das Tierwohl, indem sie die Weidehaltung von Mutterkühen und Mastkälbern höher belohnt – erhöht aber gleichzeitig die Höchstbestände in der Masthühnerhaltung auf 27 000 Tiere pro Betrieb. Dazu kommt: Tierwohl braucht Zeit. Diese Zeit fehlt auf vielen Betrieben, immer weniger Personen betreuen immer mehr Tiere, und die AP 14–17 fördert diese Entwicklung, indem sie Kleinbetriebe von den Direktzahlungen ausschliesst.
Es gibt also Gründe, gegen die AP 14–17 zu sein. Aber ist ein Referendum sinnvoll? Die Agraropposition ist so widersprüchlich wie die Agrarpolitik. Viele BäuerInnen lehnen die neue Agrarpolitik ab, weil sie keine Pauschalbeiträge für Raufutterverzehrer (Rinder, Schafe und Ziegen) mehr vorsieht. Doch diese Beiträge führten bisher zu hohen Tierzahlen, sie kurbelten also die Futtermittelimporte an. Wer Lebensmittelimporte kritisiert, sollte zu Futtermittelimporten nicht schweigen. (Am meisten Importfutter fressen allerdings Hühner und Schweine – doch das ist eine andere Geschichte.) Falls das Referendum zustande kommt, dann auch dank Leuten, die Umwelt- und Tierschutzvorschriften am liebsten möglichst rückgängig machen würden – eine unheilige Allianz.
Dazu kommt: Der grundsätzliche Kurswechsel, wie er Uniterre vorschwebt – höhere Preise, damit die BäuerInnen von ihren Produkten leben können –, ist mit einem Referendum nicht zu erreichen. Müsste die AP nochmals durchs Parlament, käme sie wieder etwa gleich heraus. Ein Referendum sei der Bevölkerung schwierig zu erklären, zumal das Landwirtschaftsbudget aufgestockt worden sei, heisst es beim Bauernverband. Ein Leserbriefschreiber im «Schweizer Bauer» formuliert es drastischer: «Differenzieren, was nun genau gut und schlecht sein soll, kann der durchschnittliche Stimmbürger sowieso nicht.» Das stimmt leider. Und es ist ein Teil des Problems. Die Agrarpolitik hat eine Komplexität erreicht, die sogar die direkt Beteiligten überfordert.
Auf zwei Ebenen denken
Die Agrarpolitik sei widersprüchlich, «weil sie ökologisch, sozial und international wettbewerbsfähig zugleich sein soll», sagt der Agrarhistoriker Peter Moser. Das Referendum weist auf diesen Widerspruch hin: Je höher die ökologischen Standards in der Schweiz werden, desto grösser wird die Diskrepanz zum Aldi-Importfood. Produktionssysteme, die so unterschiedlich funktionieren, sollten auch nicht miteinander konkurrieren müssen. Uniterre kritisiert die Handelsliberalisierung zu Recht.
Trotzdem verdienen die sinnvollen Elemente der AP 14–17 Unterstützung. Dazu gehören das erwähnte Programm «Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion», höhere Biobeiträge und die Ressourceneffizienzbeiträge, mit denen zum Beispiel schonende Bodenbearbeitung gefördert wird. Mit dem Argument der Billigkonkurrenz sollte nicht die Honorierung jener verhindert werden, die im Inland Sinnvolles tun.
Die Schwierigkeit besteht darin, auf zwei Ebenen zu denken: Welche Agrarpolitik wäre sinnvoll – über das heutige Direktzahlungssystem hinaus? Aber auch: Was ist unter heutigen Bedingungen realistisch zu erreichen?