Bedrohlich wirkende Songs: Ben Frost überwältigt die Sinne
Der australische Musiker und Komponist Ben Frost begreift seine Musik seit seinem ersten Album von 2001 als maschinellen Extremismus, als Anschlag auf die Sinne, der uns permanent in Alarmbereitschaft versetzen soll.
Auf «Aurora», seinem neuen Werk, merkt man schon beim Opener «Flex», dass damit noch lange nicht Schluss ist. Frost zielt auf die totale Überwältigung der Sinne, auf die bedingungslose Unterwerfung durch Sounds. Er jagt düsenjetgleiche Schallwellen durch seine Maschinen, lässt sie schleifen, bohrend und kreischend lauter werden. Scharfkantig hohe Noise-Frequenzen drohen die Ohrmembran zu durchstechen, ohne Aussicht auf Erlösung. Dunkle Ambientflächen reiben sich am Schamanismus der Drums, ab und an dringt eine Ahnung von zuckersüssen Trance- und Kitschmelodien durch die Lärmschichten.
Wie passt das nun zusammen? Möglicherweise gar nicht: Genau das ist das Interessante an Frosts Musik. Denn bei all diesen Schichtungen von Material ist nicht ganz klar: Wer soll sich da wem unterwerfen? Das Publikum dem Noise oder Ben Frost in Demut seinen eigenen Schöpfungen?
Einen Grossteil der Stücke seines fünften Studioalbums schrieb der 1980 geborene Autodidakt im Kongo am Laptop, während er mit Richard Mosse an dessen preisgekröntem Filmprojekt «The Enclave» arbeitete. Die Begegnungen mit den Tätern und Überlebenden der Massaker sowie die Lebensumstände im Kongo haben unüberhörbar auch auf «Aurora» ihre Spuren hinterlassen – in den neun Songs des Albums steckt etwas Gewalttätiges, Bedrohliches, Spukhaftes auch.
Dennoch lässt sich Ben Frosts neustes Werk – im Gegensatz zum Vorgänger «By the Throat» – nicht so einfach einordnen. Zu treibend sind die Sounds, zu zerrüttend zeigen sie die Zukunft, zu düster die Bilder, die sie hervorrufen. Es ist, als würde diese Geräuschwelt den Musiker und sein Publikum in ein ständiges Ringen um das eigene Fortbestehen verwickeln.
Ben Frost: Aurora. Bedroom Community/Mute