Ecopop und Entwicklungspolitik: Schützen Kondome auch die Umwelt?
So richtig absurd ist der entwicklungspolitische Aspekt der Ecopop-Initiative. Er ist geprägt von der Obsession eines Vorstandsmitglieds. Und mit Migration hat das alles sowieso wenig zu tun.
Die EcopopperInnen verfolgen mit ihrer Volksinitiative zwei Absichten: Sie wollen die Zuwanderung in die Schweiz massiv beschränken, und sie wollen die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit auf die «freiwillige Familienplanung» konzentrieren. Beides soll zur «Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen» beitragen.
Der entwicklungspolitische Aspekt trägt die Handschrift von Ecopop-Vorstandsmitglied Alec Gagneux. Der Maschineningenieur aus Brugg bezeichnet sich selbst als linken Ökologen, Friedensaktivisten und «Entwicklungs-Dialoger». Er lässt seit Jahren keine Möglichkeit aus, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) dafür zu kritisieren, dass sie das in seinen Augen alles entscheidende globale Bevölkerungswachstum nicht offensiver angehe. Nun will er die Deza per Verfassungsänderung dazu zwingen. Und dafür konnte er offenbar seine Ecopop-KollegInnen gewinnen.
«Förderung der Kondomanwendung»
So wird nun im Initiativtext gefordert, mindestens zehn Prozent der Entwicklungszusammenarbeitsmittel müssten «in Massnahmen zur Förderung der freiwilligen Familienplanung» fliessen. Das wären dann gegen 200 Millionen Franken, die die Deza gemäss Ecopop für Aufklärungskampagnen, für die Finanzierung von Verhütungsmitteln oder für Programme zur «Förderung der Kondomanwendung» einsetzen müsste.
Gagneux selbst findet natürlich schon, dass die beiden Absichten der Initiative zusammenhängen. Beide führten zum Schutz der Umwelt, das Bindeglied sei die Migration: «Wenn etwa im Niger dank der Förderung der freiwilligen Familienplanung das Bevölkerungswachstum zurückgeht, geht es der nigrischen Gesellschaft insgesamt besser, und der Migrationsdruck sinkt.»
Doch es gibt zuhauf Studien, die aufzeigen, dass es gar nicht die ärmsten Bevölkerungsschichten sind, die auswandern, und dass ein Einkommenszuwachs die Migration gar befördern kann. Gagneux lässt diesen Einwand stehen. Ihm geht es eigentlich um ganz andere Zusammenhänge: «Wenn es keine ungewollten Schwangerschaften gäbe, würden wir diese zehn Prozent nicht fordern. Aber jährlich werden achtzig Millionen Frauen schwanger, weil sie nicht verhüten können.» Darauf beruhe ein Drittel des globalen Bevölkerungswachstums. «Und die Deza macht viel zu wenig dagegen, obwohl es ein Menschenrecht auf Familienplanung gibt», sagt Gagneux.
Deza im Abseits
Praktisch hätte ein Sieg über die Deza kaum grosse Auswirkungen aufs Weltgeschehen. Die Schweiz finanziert lediglich 2,3 Prozent der weltweiten offiziellen Entwicklungszusammenarbeit. Die Deza unterhält bereits Programme im Sinn der EcopopperInnen. Mit etwas Kreativität könnte sie andere bestehende Programme mit dem Label «Familienplanung» versehen und schliesslich noch ihren Beitrag an den UN-Bevölkerungsfonds erhöhen.
Alec Gagneux kündigt allerdings schon heute an, dass er dies nicht akzeptieren würde. Die Initiative hätte dann zumindest Auswirkungen auf die entwicklungspolitische Reputation der Schweiz. Das Aussenministerium (EDA), bei dem die Deza angesiedelt ist, schreibt auf Anfrage: «Das wäre den Partnerländern schwer vermittelbar und würde den bisherigen Vereinbarungen zuwiderlaufen. Die Schweiz würde sich international ins Abseits stellen.»
Was die entwicklungspolitische Einschätzung der Initiative angeht, deckt sich die Position des EDA mit derjenigen von Alliance Sud, der Lobbyorganisation der grossen Schweizer Hilfswerke: Gemäss Uno wird sich die Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten stabilisieren. Die InitiantInnen übertreiben diese «Gefahr» also enorm. Und um in einzelnen Ländern den Teufelskreis von Armut und hohem Bevölkerungswachstum zu durchbrechen, helfen isolierte Massnahmen in der Familienplanung praktisch nichts. Denn laut Umfragen der Weltbank wissen die meisten Frauen durchaus, wie man verhütet und wie sie an die entsprechenden Mittel kommen. Seit zwanzig Jahren besteht ein breiter Konsens darüber, dass das Bevölkerungswachstum am besten durch klassische Entwicklungsmassnahmen gedrosselt wird: mit der Förderung allgemeiner Bildung, der Gesundheit, der Geschlechtergleichstellung, wirtschaftlicher Möglichkeiten und sozialer Absicherung.
Im Dienst schweizerischer Interessen
Für Alliance-Sud-Geschäftsleiter Peter Niggli steht die Ecopop-Initiative in einer Linie mit anderen Versuchen, die Entwicklungszusammenarbeit in den Dienst schweizerischer Interessen zu stellen: «Ähnlich wie die geplante EDU-SVP-Initiative, die die Entwicklungshilfe an die Rückübernahme von Flüchtlingen knüpfen will, oder wie der mittlerweile gescheiterte Vorstoss, sie an Rohstoffpartnerschaften zu binden.»
Was aber könnte das nun zum offiziellen Ziel der Initiative, der «Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen», beitragen? «Ich sehe keinen Zusammenhang», sagt Niggli. «Die Initianten unterschlagen, was der Umwelt tatsächlich schadet: Die Schweiz erwirtschaftet ein grösseres Bruttoinlandsprodukt als die Gruppe der 34 ärmsten Länder, in denen 850 Millionen Menschen leben. Die kleine Schweiz belastet deshalb die Umwelt mindestens so stark wie diese.» Wenn die Umwelt global geschützt werden soll, müsse man vor allem in den reichen Ländern ansetzen und deren Verbrauch an natürlichen Ressourcen verringern, sagt Niggli, «die Initiative sagt dazu aber nichts».