Regierungskrise in Frankreich: «Wie Kuba ohne Sonne»

Nr. 35 –

Der Kurswechsel in der französischen Regierungspolitik wird durch die jüngsten Rochaden weiter verstärkt. Doch damit droht Staatspräsident François Hollande auch die parlamentarische Mehrheit abhandenzukommen.

Am Dienstagabend stand der Entscheid fest: Neuer französischer Wirtschaftsminister wird der ehemalige Bankmanager Emmanuel Macron. Er löst Arnaud Montebourg ab, der zuvor mit kritischen Bemerkungen über den wirtschaftspolitischen Kurs der Regierung bei Staatspräsident François Hollande und Premierminister Manuel Valls in Ungnade gefallen ist. Auch Erziehungsminister Benoît Hamon und Kulturministerin Aurélie Filippetti wurden entlassen, da sie sich hinter Montebourg gestellt hatten. Die französische Regierung macht damit einen deutlichen Schwenk nach rechts, und für die Führung des Parti Socialiste (PS) wird es damit nicht einfacher, die Partei zusammenzuhalten. Die Krise, in der sich die SozialistInnen praktisch seit ihrer Regierungsübernahme 2012 befinden, könnte sich weiter vertiefen.

«Ein trauriges Symbol»

Sinnbild dieser Krise ist der neue, erst 36 Jahre alte Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Nach einem Studium an der Elitewirtschaftsuniversität ENA arbeitete Macron ab 2008 am französischen Sitz der Investmentbank Rothschild, bevor er 2012 als Hollandes Wirtschaftsberater fungierte. Während die konservative UMP heute Macrons Bankerfahrung lobt, kommt von linker Seite Kritik. Für den sozialistischen Parlamentsabgeordneten Jean-Marc Germain ist Macrons Nominierung ein «trauriges Symbol». Für Martine Billard von der Linksfront – einem Zusammenschluss der Kommunistischen Partei mit linken SozialdemokratInnen – kommt mit ihm die «Finanzwelt an die Macht». Die Grüne Partei kritisiert, mit Macron liesse sich «keine neue Politik» machen. Wie austauschbar Macron tatsächlich ist, zeigt der Umstand, dass er laut dem Magazin «L’Express» 2007 auch ein Angebot bekam, in die Regierung des rechtsbürgerlichen Nicolas Sarkozy einzutreten, das er allerdings ablehnte. Wie streitbar er ist, zeigt sein Kommentar zur Einführung der 75-Prozent-Besteuerung hoher Einkommen. «Das ist wie Kuba ohne Sonne», soll er gesagt haben.

Die französische Regierung wird auch unter neuer Zusammensetzung im Krisenmodus wirken müssen. Die Arbeitslosenquote ist in diesem Jahr weiter angestiegen und liegt nun bei über zehn Prozent. Besonders stark betroffen sind Jugendliche. Die jährliche Neuverschuldung liegt bei vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit deutlich über den von der EU geforderten drei Prozent.

Oft werden von den Unternehmen die hohen Lohnnebenkosten kritisiert – wie auch die hohen Steuern. Doch leistet sich Frankreich neben dem gut ausgebauten Sozialsystem auch eine extrem aufgeblähte Bürokratie. Anstatt beispielsweise die bürgerfernen Regierungsvertretungen in den Bezirken abzuschaffen, fusioniert man lieber die Regionen. Und statt die Arbeitlosigkeit mit der Förderung von Teilzeitarbeit für Ältere zu bekämpfen, wird das Renteneintrittsalter erhöht.

Marktradikale Ansichten

Der nun entlassene Wirtschaftsminister Montebourg hatte vorab die weiteren Sparpläne der Regierung kritisiert und gefordert, die Wirtschaftsentwicklung im Gegenteil mit staatlichen Investitionsmassnahmen anzukurbeln. Dabei sah er sich auch von einer Reihe PolitikerInnen vom linken Flügel des PS unterstützt. Er hatte nur offen das gesagt, was viele denken: Sparen einseitig zulasten der BürgerInnen ist unsozial. Valls hingegen, der sich auf seinem vorherigen Posten des Innenministers als rechter Hardliner und Romaausschaffer hervorgetan hatte, verfolgt als Premierminister weiterhin radikale Ansichten – marktradikale. In einem Fernsehinterview mit dem Sender France 2 gibt Valls unverhohlen zu: «Mein einziges Ziel ist eine starke Wirtschaft.» Er wolle einen «Pakt der Verantwortung» und damit «Unternehmen helfen, grossen Unternehmen». Die Nominierung eines ehemaligen Bankers an die Spitze des Wirtschaftsministeriums erscheint da nur konsequent. Dieser bat sogleich, man möge ihn nicht vorverurteilen, sondern «an seinen Taten messen». Weitere Ankündigungen machte er zunächst nicht.

Hollande und Valls haben sich mit der Entlassung Montebourgs möglicherweise ins eigene Fleisch geschnitten. Die sozialistische Fraktion verfügt in der Nationalversammlung nur über eine hauchdünne Mehrheit. Sie ist somit auf die Stimmen des linken Parteiflügels angewiesen. Montebourg verstand bislang, diesen zu mobilisieren. Er half zudem mit, wenn es für die Regierung darum ging, bei den anderen linken Parteien im Parlament Mehrheiten zu schaffen. Nach dem Austritt der Grünen aus der Regierungskoalition im April dieses Jahres sind nunmehr alle diese Parteien in der Opposition.