Ländlermusik: Der Klarinettenkönig
Ländlermusik gilt zu Unrecht als Bauernmusik. Die Bauern hatten anderes zu tun, als zu klarinettlen, zu geigen und zu örgelen. Diese Musik hat proletarische Wurzeln. Ihre Könner waren Jenische, Gewerbler oder Arbeiter. Das zeigt die Karriere des Klarinettenkönigs Kasi Geisser, geboren 1899 als Bähnlersohn in Arth, später Glasbläser – aber nur für kurze Zeit, denn mit knapp zwanzig beschloss er, von der Musik zu leben. Ein schönes Leben? Unstet auf jeden Fall, ein Jimi Hendrix im Urner Format, hochbegabt, ein musikalischer Umstürzler, wacker Alkohol, Tabak und Vielweiberei, und mit 43 Jahren musste er verarmt ins Grab.
Kasi Geisser war als Virtuose am Klarinett unterwegs in der Innerschweiz, und er war ein Star in Zürich, der Hauptstadt der Ländlermusik in der Zwischenkriegszeit, wo im Niederdorf und an der Langstrasse ein Lokal neben dem anderen Livemusik bot. Geisser war ein ungemein produktiver Komponist. Im Haus der Volksmusik in Altdorf sind seine zwanzig handgeschriebenen Notenbüchlein versorgt. Ausserdem hat er überall zahlreiche Schottisch, Mazurken und Walzer verstreut, abgegeben gegen wenig Geld. Die Kapelle Echo vom Gätterli hat nun in Erinnerung an Geisser 24 unveröffentlichte Melodien aufgenommen. Da können wir hören, wie routiniert er die Gebrauchsmusik komponierte, die die proletarische Kultur der Stadt Zürich zwischen 1920 und 1935 prägte, bevor sie die geistige Landesverteidigung entdeckte und als Heimatmusik bestimmte und besetzte.
Später wurde sie – wir wissen es und bedauern es zutiefst – der Soundtrack der Nationalisten am Purezmorgä. Die CD des Echo vom Gätterli, einer virtuosen und bodenständigen Kapelle, führt Kasi Geisser werk- und blatttreu vor. Sie ist eine Gelegenheit zu hören, dass Geisser, Muther, Ribary, Lott & Co mehr können, als die Schlacht bei Marignano zu feiern.
Echo vom Gätterli: Kasi Geisser. Erinnerung mit 24 unveröffentlichten Melodien aus seinem Nachlass. Alpenländisch