Wichtig zu wissen: Die Rückeroberung 2.0

Nr. 46 –

Ruedi Widmer über Steueroptimierung, den 30. November und Jodtabletten

Margret Kiener Nellen, Nationalrätin SP, beziehungsweise ihr Mann, hat viel Geld. Und sich in die Pensionskasse eingekauft. In einem Steuerjahr hat sie dann Fr. 0.00 versteuert. Selbst wenn das alles legal ist, ist es peinlich, gerade vor der Abstimmung über die Pauschalbesteuerung.  

Die «Weltwoche» wird für die Enthüllung ihre Gründe haben. Die Pauschalbesteuerung darf auf keinen Fall abgeschafft werden. Da kommt das moralisierende Initiativkomiteemitglied Kiener Nellen, das den Rücktritt des luxemburgischen Bundesrats Juncker Schneider-Ammann forderte, gerade recht. Scheinheilige zahlen keine Steuern, sie sind als Religionsgemeinschaft steuerbefreit.

Wenn es Hans «Putzfrauenversteher» Fehr oder Christoph Mörgeli wäre, würden viele Linke in den wütenden Leserforenchor einstimmen. Eine Sozialistin dürfe nicht gegen die Pauschalsteuer, aber gleichzeitig selbst reich sein. Ein richtiges Jodeln geht da ab. Schliesslich sind viele schon auf den Jodtabletten, die der Bund dem Volk frei Haus geliefert hat, damit es die nächste Kernschmelze, die Annahme der Ecopop-Initiative, überlebt.

Wichtig am 30. November: Suchen Sie bei einem Ja den Schutzraum auf. Die Umwelt wird sich auf den Strassen versammeln und ein feuchtfröhliches Fest feiern. Bäume, Rehe, Gräser, alles wird auf den Beinen sein, um den Sieg über die GegnerInnen von Ecopop zu feiern. Das Moos beginnt zu wuchern und erobert die Schweiz zurück. Franz Hohler hat das vor Jahrzehnten einmal beschrieben. Bären kommen aus ihren Höhlen im Bündnerland und fallen über die Wirtschaftsführer her. Die Intellektuellen werden aufgefressen von Wolfsrudeln und können ihre Pseudoweltoffenheit im Himmel feiern. Politiker, Verbände, Gewerkschaften, Arbeitgeber und der Bundesrat werden von fleischfressenden Pflanzen beseitigt. 

Die Natur richtet Anlaufstellen für die Opfer der Masseneinwanderung ein. Eichhörnchen, Füchse und Hasen stellen Arbeitsbewilligungen für unterdrückte SchweizerInnen aus und schaffen Arbeitsplätze an der frischen Luft. Während die Tiere auf der faulen Haut liegen, sucht der einstige Reisebüroangestellte Hans Krampfer (53) nach Essbarem für Familie Dachs.

Die Schweiz ist endlich wieder wie früher. In den Städten gibt es keine Arbeit mehr. Die Unternehmen packen und ziehen in die EU. Ecopop erobert Quartier um Quartier zurück. Alles wird grün und friedlich. Die EcopopperInnen geniessen das neue Leben. Mit ihren SUVs cruisen sie durch das verdschungelte Zürich, um für ihre neuen Arbeitgeber, die Tiere, Futter zu suchen. Die Löhne steigen. Und nach Feierabend gehen sie noch im Sihlcity oder im Westside shoppen. Die Natur hat nur das Schädliche zurückerobert, die Welt der Ecopop-GegnerInnen: Bürogebäude, Fabriken, verstopften Züge, Universitäten, Medienhäuser, Kultureinrichtungen. 

Bald gibt es in der Schweiz nur noch reine Natur: Bäume, blaue Flüsse, Wiesen, Sträucher, Tiere, Blumen, Einfamilienhüsli, supergünstige Shoppingangebote, Ferienflüge in die Türkei und nach Mallorca, Leserkommentarnachrichtenportale, Nailstudios, das Rütli, Tattoo-Shops und die zweite Gotthardröhre.

Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur.