Panda Bear: Vom schattigen Jenseits auf den Dancefloor
Popgenie trifft Sensemann: Noah Lennox von Animal Collective ist wieder als Panda Bear unterwegs. Mit einem neuen Soloalbum, das den Kontakt zur Aussenwelt kappt – und doch Herzlichkeit ausstrahlt.
Man drückt ab, das Gerät blitzt, klickt und pfeift und spuckt ein Papier aus, auf dem noch nichts zu erkennen ist. Nach und nach werden Konturen und Motive sichtbar, man wedelt mit dem Fotopapier, bis das Bild fertig entwickelt ist. So funktionieren Polaroidkameras, und so ähnlich funktioniere auch sein Songwriting, sagt Noah Lennox, besser bekannt unter seinem Alias Panda Bear: «Erst ist da eine graue Masse in meinem Kopf, mit der Zeit schärfen sich die Dinge.»
Am Ende dieses Schärfungsprozesses erklingen Songs, die auf seinem neuen Album «Panda Bear Meets the Grim Reaper» zu entziffern sind. Popsongs, die durch ihre Fülle an herumschwirrenden Elektrosoundpartikeln zunächst verwirren, ja chaotisch und neuartig erscheinen, die aber dank Lennox’ hellem Chorknabengesang dann doch schnell an Vertrautheit gewinnen.
Eigene Popsprachen entwickeln
Als Mitglied von Animal Collective ist Noah Lennox aus einem befreiten Noise-Folk mittlerweile in eigene psychedelische Tiefen eingetaucht. Auch als Panda Bear ist er ein Suchender, kein Eroberer: «Ich gehe mit meiner Musik gerne an unbekannte Orte, suche mit anderem Equipment oder anderen Stilen nach etwas», erzählte der 36-Jährige vor seinem Konzert im vergangenen Sommer im Düdinger Bad Bonn.
Damals war seine bereits fünfte Soloplatte beinahe fertig, und Lennox kündete Songs an, die unbeschwerter klingen sollten als diejenigen des hermetischen Vorgängeralbums «Tomboy» (2011), das für ihn eine überaus «ernsthafte und schwere Angelegenheit» gewesen sei – und das er mit Gitarre und Laptop in einem Kellerstudio ohne Tageslicht produziert hat.
«Panda Bear Meets the Grim Reaper» nun ist seinem Album «Person Pitch» (2007) näher, auf dem sich Lennox durch ein weites Archiv sampelte, von Cat Stevens über Lee «Scratch» Perry bis hin zu japanischer Psychedelik. Er ersann so eine eigenartig verschlaufte Musik, die ihm den Ruf eines Popgenies und Vergleiche mit Brian Wilson von den Beach Boys einbrachte.
Sein neues Album ist aus selbst produzierten Samples zusammengebaut. Und es beschreibt eine abenteuerliche Exkursion ins Unbewusste eines Künstlers, der aus angesammelten Einflüssen eine elektronische Musik filtert, die ganz und gar seine eigene ist. Da erscheint ein «Mr Noah», der über einen harschen Beat die LSD-Zeile «Trip a lot» loopt, man begegnet kinderliedähnlichen Gesangslinien und manchmal verschlüsselten biografischen Stationen: Das aufputschende «Boys Latin» etwa steht für eine Schule in Lennox’ Heimatstadt Baltimore, «Principe Real» für einen Stadtpark an seinem aktuellen Wohnort Lissabon. Das sind aber auch die einzigen augenscheinlichen Verbindungen dieser Musik zu einer fassbaren Aussenwelt.
Spurenverwischend ins Jenseits
Lennox verwischt die Spuren eher, als dass er welche preisgibt. Da klingen zwar Housepixel aus Detroit ebenso an wie Hip-Hop-Produktionen aus den Neunzigern und Sounds aus billigen Apps – die genauen Ursprünge aber, die kennt nur Lennox. Und wenn er im Gespräch doch konkrete Einflüsse wie den Rapproduzenten 9th Wonder preisgibt, dann trägt dies kaum zur Enträtselung bei.
So verzwickt das nun klingen mag, so selbstverständlich hören sich die Wanderungen an, die Panda Bear durch sein Inneres unternimmt. Trotz der genauen Bearbeitung der einzelnen Sounds und Frequenzen: Hier ist nichts verkrampft oder angestrengt, vielmehr wirkt die Platte selbst dann offenherzig und herzlich, wenn sie mit zunehmender Spieldauer in ein schattiges Jenseits abdriftet. Dort angelangt, pausiert der stetige Puls des Albums, Computerharfen übernehmen, und Klavierakkorde werden aufgefächert. Der Sensemann scheint in diesen Momenten zu siegen, ehe Panda Bear den Tod überwindet, indem er sich in «Principe Real» auf den Dancefloor absetzt.
Dazwischen immer wieder in kurzen Sequenzen: klickende und blitzende Sounds, die an die wacklige, graue Masse an Ideen erinnern, aus der dieses erste grosse Popalbum des Jahres entstanden ist.
Panda Bear: Panda Bear Meets the Grim Reaper. Domino/MV