CD «Teaspoon to the Ocean»: Blumenkäferwiesenspaziergang

Nr. 5 –

Darin muss man sich erst mal fotografieren lassen: das Hemd farblich irgendwo zwischen intensivem Senfgelb und spätsommerlich leuchtender Sonnenblume, die Jeans in mutigem Lilarot. Wobei der Modegeschmack einer Person bekanntlich mehr über ihren Modegeschmack aussagt als zum Beispiel über ihren Charakter. Oder über die Musik, die sie macht.

Jib Kidder jedenfalls, ein aus Louisville stammender, zwischen Kalifornien und New York pendelnder Musiknerd mit ernsthaft-offenem, unbedingt sympathischem Jungengesicht, hat mit «Teaspoon to the Ocean» gerade ein Album veröffentlicht, das hervorragend in die klamme Winterzeit mit ihren zahlreichen dunklen Stunden passt, gerade weil es das überhaupt nicht tut. Das liegt auch an «Dozens», einem angenehm verspulten, auf einem Beach-Boys-Sample basierenden Song mit temperamentvollem Drumming und einer Slide Guitar, die an einen beschwipsten melancholischen Matrosen bei mittelschwerem Seegang erinnert. Und es liegt natürlich an «Appetites», einem moderat synkopierten Stück für den bekifft-entspannten Blumenkäferwiesenspaziergang im Kopf – an der Hand Everybody’s Darling Julia Holter, deren Gesang aus dem Hintergrund ätherisch erfreut.

Das Label Weird World bezeichnet die elf loopbasierten, freundlich-intensiven Songs des Multiinstrumentalisten und Multimediakünstlers als «Acid Country Pop». Das trifft es ziemlich gut. Mit Avey Tare und Panda Bear von Animal Collective etwa ist Jib Kidder befreundet, man hörts durchaus und hätte es sich denken können.

Die Gefahr, sich im Wald der Anspielungen, Einflüsse und Referenzen zu verirren, besteht übrigens nicht. Jib Kidder beherrscht eine ebenso ausgefuchste wie hörenswerte Variante des Jodelns: «Ich singe einen Mikrojodel, bei dem beim Wechsel von einem Ton zum nächsten weitere unerklärliche Töne entstehen.»

Jib Kidder: Teaspoon to the Ocean. Weird World/Domino