Kommentar von Toni Keppeler: Die Obama-Show in Panama

Nr. 16 –

Der US-Präsident nahm beim Amerikagipfel nur grosse Worte in den Mund, konkrete Angebote machte er nicht. Solange das Embargo besteht und Guantánamo nicht zurückgegeben wird, bleibt eine Öffnung gegenüber Kuba rein symbolisch.

Feierlich grosse Worte zu sprechen und ihnen nur kleine oder gar keine Taten folgen zu lassen, das war schon immer eine Spezialität von US-Präsident Barack Obama. Bereits in seinem ersten Wahlkampf hatte er versprochen, er werde das Folterlager in Guantánamo innerhalb eines Jahres schliessen, «Yes we can». Das war 2008. Das Lager gibt es noch immer.

Jetzt, beim siebten Gipfeltreffen der PräsidentInnen des amerikanischen Kontinents am letzten Wochenende in Panama-Stadt, kündigte er gar einen «Zeitenwechsel» in der «Hemisphäre» an. Sein gut einstündiges Gespräch mit dem kubanischen Staats- und Parteichef Raúl Castro sei nichts anderes als «historisch». Weltweit plapperten die Medien das nach.

Dabei hatte Obama nichts Konkretes anzubieten. Die versammelten StaatschefInnen hatten vom US-Präsidenten die Verkündung erwartet, dass Kuba nun von der Liste gestrichen sei, auf der sich alle befinden, die aus Sicht Washingtons den internationalen Terrorismus unterstützen. Obama sagte nur, er werde «später darüber nachdenken». Erst am vergangenen Dienstag hat er die Streichung in die Wege geleitet.

Raúl Castro ist kein Freund grosser Worte. Höflich erinnerte er an ein halbes Jahrhundert Aggressionspolitik der USA gegen Kuba und versicherte trotzdem, er sei «bereit, über alles zu diskutieren». Aber: «Wir werden Geduld brauchen, sehr viel Geduld.» Ähnliches hatte er nach dem Telefongespräch mit Obama im vergangenen Dezember gesagt. Die US-Regierung hatte da schon in Aussicht gestellt, noch vor dem jetzigen Gipfeltreffen eine Botschaft in Havanna zu eröffnen.

Obama hatte seine Show in Panama gut vorbereitet. Er kam nicht direkt, sondern nahm einen Umweg über Jamaika. Er wusste, dass dort die gewünschten Jubelbilder entstehen würden. Die JamaikanerInnen mögen ihn schon allein deshalb, weil er Vorfahren in Kenia hat, dem Nachbarland von Äthiopien, dem idealisierten Sehnsuchtsort aller Rastafari. Selbstverständlich stand ein Besuch des Bob-Marley-Museums in Kingston auf dem Programm. Dort gab sich der US-Präsident so locker und jovial, als würde er bisweilen selbst einen Joint drehen. Aussenminister John Kerry schickte derweil seinen wichtigsten Berater nach Caracas. Der musste Porzellan kitten, das Obama kurz zuvor zerschlagen hatte, als er Venezuela zur Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten erklärt und Sanktionen gegen hohe Regierungsbeamte verhängt hatte. Das sorgte nicht nur in Caracas für Ärger, sondern in ganz Lateinamerika.

Und darum geht es Obama letztlich: um Lateinamerika. Bei den sechs früheren Amerikagipfeln hatten die jeweiligen US-Regierungen durchgesetzt, dass Kuba nie eingeladen wurde. Sie wollten das Land politisch isolieren. Sie erreichten damit das Gegenteil. Nicht der abwesende Castro war der Paria, sondern der anwesende US-Präsident. Lateinamerika hat längst ein eigenes, von Washington unabhängiges Selbstbewusstsein, und dazu gehört selbstverständlich auch Kuba. Will Washington verlorenen Einfluss in der südlichen Hälfte des Kontinents zurückgewinnen, ist eine Öffnung gegenüber Kuba unabdingbare Voraussetzung. Das hat Obama begriffen.

Im Grunde geht es ihm weniger um den sozialistischen Staat vor der Küste Floridas. Seit dem Fall der Sowjetunion hat Kuba sein geopolitisches Gewicht weitgehend verloren, und wirtschaftlich ist das Land für die USA von untergeordneter Bedeutung. Obama schielt weiter in den Süden, nach Ländern wie Brasilien, das eine wirkliche Wirtschaftsmacht ist. Dass sich Brasilien mit Russland, Indien, China und Südafrika zum Verbund der sogenannten Brics-Staaten zusammengeschlossen hat, das macht ihm wirklich Sorgen. Diese Schwellenländer haben gemeinsam eine Wirtschaftskraft, die den «Washington Consensus» infrage stellen kann, mit der die USA ihre Spielart des Kapitalismus mithilfe von Internationalem Währungsfonds und Weltbank nahezu weltweit durchgesetzt haben.

In Panama nutzte Präsident Obama den höflichen Beifall für seine grossen Worte zu Kuba, um schnell die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff zum Staatsbesuch nach Washington zu bitten. Die letzte Einladung vor zwei Jahren hatte sie zurückgewiesen, weil auch sie vom US-Geheimdienst NSA ausgespäht worden war. Das freundliche Klima wird schnell wieder eintrüben, wenn Obama keine Taten folgen lässt.

Im Fall von Kuba liegen die auf der Hand: Das seit über fünfzig Jahre bestehende US-Embargo muss aufgehoben, der Marinestützpunkt in Guantánamo zurückgegeben werden. Nur das könnte man wirklich «historisch» nennen.

Aber es wird in absehbarer Zeit nicht geschehen. Das Embargo kann nur der Kongress aufheben, und der wird von rechten RepublikanerInnen dominiert. In Guantánamo ist der ursprüngliche Pachtvertrag von 1903 schon seit 2002 abgelaufen; die USA haben ihn 1934 mit militärischem Druck einseitig auf unbestimmte Zeit verlängert. Von der längst fälligen Rückgabe hat bislang nur Raúl Castro gesprochen. Barack Obama klammert das Thema aus. Er hat es ja nicht einmal zustande gebracht, das dortige Folterlager zu schliessen.