Student gegen Starökonom: Piketty ist doch nicht widerlegt

Nr. 16 –

Thomas Piketty hat sich getäuscht. Das ist die Botschaft des 26-jährigen Doktoranden Matthew Rognlie vom US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT), der derzeit weltweit durch sämtliche Medien gezerrt wird. Der französische Ökonom Thomas Piketty hatte 2014 in seinem tausendseitigen Werk «Das Kapital im 21. Jahrhundert» aufgezeigt, dass die Ungleichheit der Vermögensverteilung seit den siebziger Jahren auf der ganzen Welt zunimmt.

Der MIT-Doktorand Rognlie, der seine Erkenntnisse vor einem erlesenen Publikum aus Wirtschaftsnobelpreisträgern präsentieren durfte, ist eine knackige Medienstory: David besiegt Goliath. Für rechte Medien ist sie zudem die Bestätigung für den lang gehegten Verdacht, dass Piketty ein linker Faktenverdreher sei.

Dabei kratzt Rognlies Kritik lediglich etwas am Lack von Pikettys Werk: Piketty argumentiert, dass die Ungleichheit zunehme, weil der Anteil des volkswirtschaftlichen Gesamteinkommens, der als Profit an das Kapital fliesst, gegenüber dem Anteil zunehme, der als Lohn an die Arbeitskräfte geht. Rognlie bestreitet das nicht. Er hält jedoch entgegen, die Kapitaleinkommen hätten wegen der steigenden Mieten zugenommen. Ansonsten sei der Profitanteil am Gesamteinkommen kaum gestiegen.

Dieser Einwand des jungen Doktoranden ist plausibel – und Rognlie ist auch nicht der Erste, der ihn gegen Piketty vorbringt. Es waren zudem nicht zuletzt linke ÖkonomInnen wie etwa James K. Galbraith, die bisher darauf aufmerksam machten, dass Piketty (der strikt nach Mainstreamökonomie argumentiert) das langfristige Einkommen auf Kapital überschätzt – dass ein Grossteil davon Finanzblasen sind. Tatsächlich fallen die Zinsen auf Kapital seit den achtziger Jahren weltweit (siehe WOZ Nr. 9/2015 ).

Doch auch wenn Pikettys Erklärungen für die steigende Vermögensungleichheit teilweise auf wackeligen Füssen stehen, an seiner Kernerkenntnis ändert Rognlies Kritik nichts: Die Vermögensungleichheit nimmt weltweit zu.