Waffenhandel: Die lukrative Pilatus-Methode

Nr. 19 –

Es war die dramatischste Abstimmung der laufenden Legislatur. Im März 2014 stimmte der Nationalrat nur dank eines Stichentscheids des Ratspräsidenten einer Lockerung der Regeln für den Waffenexport zu. Letzte Woche veröffentlichte die Eidgenössische Zollverwaltung nun die Zahlen zum Schweizer Kriegsmaterialexport: Die Ausfuhr liegt im ersten Quartal 2015 mit einem Umfang von 106 Millionen Franken um ein Drittel höher als im Vorjahresquartal.

Doch wie immer, wenn der Bund Zahlen zur Ausfuhr von Kriegsmaterial publiziert, decken diese das tatsächliche Ausmass des Schweizer Waffenexports nur teilweise ab. Besondere militärische Güter wie Trainingsflugzeuge oder militärische Simulatoren und sogenannte Dual-Use-Güter, die sowohl zivil wie auch militärisch genutzt werden können, unterstehen nämlich nicht dem Kriegsmaterialgesetz. Sie werden in einer separaten Statistik erfasst. Im letzten Jahr hat die Schweiz offiziell Kriegsmaterial im Wert von 564 Millionen Franken exportiert, bei den besonderen militärischen Gütern waren es 887 Millionen Franken und bei den Dual-Use-Gütern 606 Millionen Franken. Zusammengefasst ergibt das für 2014 einen Betrag von knapp 2,1 Milliarden Franken.

Die Schweizer Waffenindustrie ist in Jubelstimmung, und eine Firma jubelt derzeit besonders ausgelassen: der Flugzeughersteller Pilatus aus Stans. Letztes Jahr lag der Umsatz bei 1,2 Milliarden Franken, der Gewinn bei 200 Millionen Franken. Das Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) führt den Hersteller von militärischen Trainingsflugzeugen erstmals in seiner «Top 100 der Rüstungskonzerne».

Der aktuelle Pilatus-Geschäftsbericht wirkt derweil wie ein Hochglanzmagazin von Schweiz Tourismus, die militärischen Trainingsflugzeuge verstecken sich in der Rubrik «Business Unit Government Aviation». Ein Bezug zum Rüstungsbereich wird tunlichst vermieden. «Das hat Methode», sagt Nora Komposch von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Die Pilatus-Trainingsflugzeuge verlassen die Schweiz unbewaffnet, entsprechend werden sie nicht als Kriegsmaterial deklariert. «Die Haltung von Pilatus ist: Was im Abnehmerland mit den Flugzeugen passiert, liegt nicht mehr in ihrer Hand. Das ist heuchlerisch», so Komposch.

Und stimmt nicht einmal: In seinem Buch «Der Pilatus-Schwindel» beschreibt der Journalist Mario Poletti detailliert, wie Werktechniker von Pilatus in den achtziger Jahren an Schiessversuchen und Waffenübungen des burmesischen Militärs teilnahmen. Im September 1992 erschossen burmesische Kampfpiloten mit aufgerüsteten PC-7- und PC-9-Modellen von Pilatus zwanzig Angehörige der unterdrückten Bevölkerungsgruppe der Karen, schreibt Poletti. Die Pilatus-Trainingsflugzeuge seien für militärische Kampfeinsätze ungeeignet, «aber für das Beschiessen von schlecht bewaffneten Aufständischen oder die Bombardierung wehrloser Indianerdörfer ist der PC-7 bestens geeignet», so Poletti, der in seinem Buch weitere tödliche Angriffe von aufgerüsteten Pilatus-Flugzeugen in Guatemala und im Irak dokumentiert.

Kürzlich ist publik geworden, dass achtzehn aufgerüstete PC-12 in Afghanistan im Einsatz sind – die Schweiz hatte die Trainingsflugzeuge ursprünglich an die USA verkauft, diese haben die Flugzeuge mit Überwachungstechnik aufgerüstet und an die afghanischen Streitkräfte übergeben.

Ein Blick in die Datenbank des Sipri zeigt, dass Pilatus seine Trainingsflugzeuge in den letzten zehn Jahren in zahlreiche Länder geliefert hat, wo Minderheiten unterdrückt und Menschenrechte verletzt werden: nach Saudi-Arabien, Indien, Mexiko oder in die Vereinigten Arabischen Emirate. In der Regel sind Trainingskurse für MilitärpilotInnen im Kaufpreis inbegriffen, Pilatus verfügt dafür über ein eigenes Trainingscenter.

Weltweit wird derzeit das Ende des Zweiten Weltkriegs vor siebzig Jahren gefeiert. Die Freude darüber ist getrübt, es herrschen kriegerische Zeiten. Die Schweiz mit ihren milliardenschweren Rüstungsfirmen tut, was sie in solchen Zeiten immer macht: wegschauen und Geld verdienen.