Velobrücke Bern: Sichere Wege statt schöner Aussicht

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Auf der Lorrainebrücke, einer der Hauptverkehrsachsen in der Stadt Bern, riskieren Tag für Tag mehrere Tausend VelofahrerInnen auf dem Weg zum Bahnhof ihr Leben: Rechts werden sie vom Bus überholt, links von Autos und Lastwagen, die dann auch noch über den Fahrradstreifen hinweg rechts abbiegen dürfen – da hilft auch rot eingefärbter Belag wenig. Die untragbare Situation ist seit Jahren bekannt. Anstatt sie vor Ort zu entschärfen, plant die Stadt eine FussgängerInnen- und Velobrücke, die vom anderen Ende des Lorrainequartiers über die Aare in die Länggasse führt. Erschlossen werden soll nicht etwa der Bahnhof, sondern das Viererfeld, ein Quartier, dessen Bau 2004 an der Urne abgelehnt worden war, das es also gar nicht gibt.

Die Brücke steht erst am Anfang der Planung, doch sie gibt seit Wochen zu reden. Als «Panoramabrücke», «Touristenmagnet» und «Leuchtturmprojekt» wird sie von den BefürworterInnen beworben. Sie ist mit 18 Millionen Franken budgetiert und soll zu vierzig Prozent vom Kanton und zu je dreissig Prozent von Bund und Stadt finanziert werden.

Die Brücke ist eines von vier grösseren Infrastrukturprojekten, die im Rahmen der von der Stadtregierung im Herbst beschlossenen Velooffensive umgesetzt werden sollen. Das erklärte Ziel der Offensive ist eine deutliche Erhöhung des Veloverkehrs in der Stadt Bern von heute elf Prozent auf zwanzig Prozent des Gesamtverkehrsaufkommens.

Die Brücke mag einigen PendlerInnen von der Länggasse ins Wankdorf den Arbeitsweg verkürzen. Doch wenn die Stadt Bern es mit ihrer Velooffensive wirklich ernst meint, muss sie woanders ansetzen: Bern braucht ein gut ausgebautes Velonetz, mit breiten, sicheren und durchgängigen Routen durch die ganze Stadt. Wie dies aussehen könnte, macht die Stadt Zürich vielleicht bald vor. Am 14. Juni stimmen die ZürcherInnen über die «Volksinitiative für sichere und durchgängige Velorouten» ab. 200 Millionen Franken würde das die Stadt kosten. Dies entspricht auf die nächsten zwanzig Jahre gerechnet gut 0,1 Prozent des jährlichen Budgets der Stadt. Dafür gäbe es ein gut ausgebautes Velonetz statt einer «Panoramabrücke» für 18 Millionen.