Ausländermotion: Die Angst der SVP vor etwas Demokratie

Nr. 23 –

Was in anderen, vor allem Westschweizer Kantonen längst Alltag ist, hatte in der Vergangenheit im Kanton Bern keine Chance: das fakultative Ausländerstimmrecht. In der Stadt Bern wird derzeit in Sachen politischer Partizipation eine gut gemeinte Sandkastenübung veranstaltet. Es geht um die sogenannte Ausländermotion: 200 AusländerInnen (mit Ausweis B, C oder F, die seit mindestens drei Monaten in der Stadt leben) könnten ein Anliegen in die Stadtregierung einbringen, diese müsste eine Antwort geben und anschliessend müsste sich das Stadtparlament damit befassen. Eine zutiefst verängstigte SVP läuft seit langem Sturm gegen diese harmlose Form der politischen Beteiligung. Nun kommt die Ausländermotion am 14. Juni an die Urne.

In der Berner Gemeinde Burgdorf gibt es seit 2008 übrigens ein vergleichbares Partizipationsmodell, den sogenannten Ausländerantrag. Bis heute wurde er nie genutzt. Wie Bern ist die Mehrheit der anderen Kantone in dieser Hinsicht rückständig verfasst. In der Westschweiz hingegen hat politische Mitsprache von AusländerInnen eine lange Tradition. So etwa im Kanton Neuenburg, wo AusländerInnen auf Gemeindeebene seit 1849 mitbestimmen und auch gewählt werden können. Der Kanton Neuenburg existiert immer noch. Seit 2001 dürfen AusländerInnen dort auch über kantonale Belange abstimmen und wählen. Desgleichen seit 1979 im Kanton Jura. Ein aktives und passives Stimm- und Wahlrecht auf Gemeindeebene kennen ausserdem die Kantone Waadt (seit 2003), Freiburg (seit 2006) und Genf (seit 2005). In Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und Basel-Stadt gibt es ein fakultatives Stimm- und Wahlrecht in den Gemeinden.

Vom Selbstbewusstsein und der Selbstsicherheit der WestschweizerInnen könnten sich die Deutschschweizer eine grosse Scheibe abschneiden. Dass Menschen, die hier arbeiten, Steuern bezahlen und die Sozialversicherungskassen füllen, mitbestimmen sollten, ist eine Frage der Vernunft, eine Integrationsleistung, die nicht von oben herab verfügt werden muss. Die SVP hat nichts begriffen. Sie möchte vorschreiben und über ausländische MitbürgerInnen herrschen. Damit provoziert sie die Probleme, die sie zu bekämpfen vorgibt.