Medientagebuch: Die letzte Werbung

Nr. 23 –

Kaspar Surber sucht in der RTVG-Debatte nach Qualität

Die GegnerInnen der SRG waren angetreten, um den Service public zu demontieren. Gewerbeverbandspräsident Hans-Ulrich Bigler plakatierte Mausefallen und blutende Finger. Andere wie der Philosoph René Scheu gingen distinguiert vor, mit einer Aufsatzsammlung unter dem Titel «Weniger Staat – mehr Fernsehen!». Ob die Argumente grob oder fein gestrickt waren – verbergen konnten die IdeologInnen nicht, welches Interesse der privaten Verlagshäuser sie leitet: Werbung, Werbung, noch mehr Werbung.

Die VertreterInnen der SRG wiederum verteidigten den Service public. Roger de Weck gab den aufrichtigen Republikaner, den die Rechtspopulisten an ihm so abgrundtief hassen. Doch auch de Weck wurde von Interview zu Interview kaum origineller, entwarf das Bild einer heilen, viersprachigen Schweiz, bedroht von bösen, ausländischen Datenkraken wie Google.

Selbst die Linke, die einst die Bewirtschaftung des berechtigten Ärgers über die Billag-Schnüffelei unachtsam dem Gegner überliess, argumentierte schief: So forderte SP-Ständerätin Anita Fetz einen Schuss vor den Bug der SRG. Das Deutschschweizer Fernsehen orientiere sich bloss am Mainstream – als ob es sich beim Westschweizer nicht um das gleiche Unternehmen handelte …

Gäbe es Sterne zu verteilen, die Debatte über das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) würde nur wenige bekommen. Doch ist die Politik – trotz Personalisierung – keine Castingshow: Angesichts des erwarteten knappen Ausgangs ist am 14. Juni ein Ja zum RTVG dringend.

Und zwar wegen jenes Kriteriums, das die MedienmanagerInnen fürchten, weil es sich schwierig messen und in Grafiken darstellen lässt: die Qualität. Bestimmen lassen sich vor allem ihre Voraussetzungen, die wichtigste dafür ist im Journalismus wie bei jeder anderen Arbeit: genügend Zeit.

Im Gegensatz zum Printjournalismus verfügt die SRG über einen Gesamtarbeitsvertrag, der anständige Arbeitsbedingungen garantiert. Die Gewerkschaft Syndicom schreibt anerkennend: «In den letzten Jahren konnte der Standard bei der SRG verbessert oder eher noch ausgebaut werden.» Der Staatssender bietet deshalb Orientierung in einer zunehmend prekarisierten Branche.

Dass geregelte Arbeitsbedingungen auf den Redaktionen auch den Anteil von Frauen im Journalismus erhöhen, kann vermutet werden. Sie sind sozial noch immer stärker verpflichtet als ihre männlichen Kollegen, die oft dem Bild des Journalisten als einsamer Wolf nachhängen können. Wie eine Umfrage der Zeitschrift «Schweizer Journalist» ergeben hat, ist die redaktionelle Frauenquote beim SRF überdurchschnittlich hoch, sie liegt noch vor jener der WOZ. Abgeschlagen auf den letzten Rängen – es erklärt wohl ihr eigentliches Problem – liegen «Weltwoche» und «Basler Zeitung».

Auf eine Ablehnung des RTVG würde eine heftige Privatisierungsdebatte folgen. Mit dem Run der Verleger auf den letzten Werbespot würden die Arbeitsbedingungen insgesamt verschlechtert und die Qualitätsstandards der Medien weiter sinken. Dass diese Entwicklung zwangsläufig ist, haben die Verlagshäuser in den letzten Jahren selbst vorgeführt.

Wird das Gesetz angenommen, kann die Debatte um den Service public, auf die viele warten, doch noch beginnen. Wenn ich schon einmal wünschen darf: Service public im 21. Jahrhundert ist ein Fernsehen, in dem die migrantische Schweiz selbstverständlich vorkommt. Und am Radio abseitigere Musik.

Kaspar Surber ist Kulturredaktor der WOZ und Syndicom-Mitglied. Er schaut am Fernsehen trotz allem am liebsten Werbung, weil die so viel über die Schweiz erzählt.