Vor siebzig Jahren: «Wir, die Vereinten Nationen …»
Die Gründung der Uno im Juni 1945 war ganz wesentlich von den Vorstellungen der USA geprägt. Dafür sorgte auch der US-Geheimdienst.
Vom 2. bis 26. Juni 1945 handelten Delegierte von fünfzig Staaten in San Francisco die Charta der Vereinten Nationen aus. Die Vorgeschichte der Uno-Gründung begann allerdings vier Jahre zuvor. Sie war wesentlich von den Interessen und Vorstellungen der USA geprägt, die im Zweiten Weltkrieg zur stärksten Weltmacht aufgestiegen waren.
Am 14. August 1941 einigten sich US-Präsident Franklin Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill in der Atlantik-Charta auf gemeinsame «Prinzipien zur Erhaltung von Frieden und Sicherheit». Auf Druck der übermächtigen USA stimmte Churchill dabei auch dem Prinzip des «Selbstbestimmungsrechts aller Völker» zu, was auf die Auflösung des britischen Kolonialreichs hinauslief. In einem künftigen «dauerhaften System der allgemeinen Sicherheit» sollten die USA und Britannien die Rolle der Weltpolizisten übernehmen. Im Januar 1942 stellten sich 26 am Krieg gegen die Achsenmächte Deutschland, Italien und Japan beteiligte Staaten hinter diese Prinzipien. Ihre Erklärung begann mit den Worten «Wir, die Vereinten Nationen …». Bei einem Treffen in Moskau im Oktober 1943 forderten die Aussenminister der Sowjetunion, der USA und Britanniens sowie der chinesische Botschafter die Schaffung einer «ständigen internationalen Organisation für Sicherheit und Frieden». Im Dezember 1943 legte das Aussenministerium in Washington Präsident Roosevelt einen Plan für den Aufbau einer Weltorganisation vor. Der Plan beinhaltete bereits drei der Kerninstitutionen der späteren Uno: den Sicherheitsrat, die Generalversammlung und den Internationalen Gerichtshof.
Auf einer Expertenkonferenz im amerikanischen Dumbarton Oaks arbeiteten die USA, Britannien und die Sowjetunion im Sommer 1944 einen ersten Entwurf für das Statut der künftigen Uno aus.
Und im Februar 1945 beschlossen Roosevelt, Churchill und der sowjetische Regierungschef Josef Stalin in Jalta, «eine allgemeine, internationale Organisation zur Erhaltung von Frieden und Sicherheit einzurichten», und luden zur Gründungskonferenz nach San Francisco ein. In Jalta einigten sich die «Grossen Drei» auch darauf, bei der Konferenz für ihre eigenen Staaten und für China einen ständigen Sitz im künftigen Uno-Sicherheitsrat sowie das Vetorecht durchzusetzen. Als fünftes Mitglied wurde Frankreich in den Kreis der privilegierten Mitglieder der künftigen Weltorganisation aufgenommen.
Zur Gründungskonferenz in San Francisco reisten die meisten der 49 Delegationen mit dem Schiff über New York an und fuhren von dort weiter mit der Eisenbahn an die Westküste. Die Delegationen wurden bereits in den Zügen sowie während der 25 Konferenztage in ihren Hotels rund um die Uhr vom US-Geheimdienst abgehört. So war die US-Delegation zu Beginn aller 24 Verhandlungstage immer bestens über die vorherigen internen Diskussionen und die Verhandlungspositionen der anderen informiert.
Zwei Jahre nach der Konferenz in San Francisco beschlossen die Gründungsstaaten der Uno in Bretton Woods bei Washington nicht nur die Schaffung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF), sondern auch die Errichtung einer Internationalen Handelsorganisation (ITO). Diese sollte wie die Internationale Arbeitsorganisation oder die Weltgesundheitsorganisation integraler Bestandteil des Uno-Systems werden und nach den demokratischen Regeln der Uno funktionieren. Die Schaffung der ITO wurde von den USA in der Folge jedoch verhindert. Stattdessen trieb Washington die Vereinbarung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) ausserhalb der Uno voran. Von 1947 bis zur Gründung des Nachfolgers – der Welthandelsorganisation WTO im Jahr 1993 – bildete das Gatt den Rahmen für alle Verhandlungen zur «Liberalisierung» der Weltwirtschaft. Die Weltmacht USA setzte dabei bis Ende der sechziger Jahre alleine und dann zunehmend gemeinsam mit der EU, mit Japan und Kanada die eigenen Wirtschafts- und Handelsinteressen gegen den Rest der Welt durch.
Andreas Zumach ist Uno-Korrespondent der WOZ.