Aus der Geschichte des Fördervereins ProWOZ: «Der ProWOZ sollte auch das Scheitern erlauben»

Nr. 29 –

Im Sommer 1984 gründeten engagierte WOZ-LeserInnen den Förderverein ProWOZ, der seither einige Millionen Franken für diese Zeitung aufgetrieben hat. Eine kurze Gründungsgeschichte und einige Statements aus dem Kreis jener Leute, denen die WOZ ihre Existenz verdankt.

Illustration: Marcel Bamert

23. Juni 1984, «Kaufleuten» in Zürich, Taleggsaal. Gründungsversammlung des Fördervereins ProWOZ. Beginn 14.45 Uhr. Aus dem Protokoll: «Namens der ProWoZ-InitiantInnen begrüsst Max Schmid die etwa 35 Anwesenden, worunter 7 WoZ-Mitarbeiter (…). Nach kurzem Rückblick auf die Entstehung des inzwischen von rund 125 Personen unterzeichneten Gründungsaufrufs (siehe WoZ Nr. 24 und 25/84) wird Alexander J. Seiler als Tagespräsident gewählt. – Die beiden andern Mitunterzeichner der Gründungseinladung, Daniel Glass und Thomas Schnyder, sind an der Teilnahme verhindert und lassen sich durch Seiler entschuldigen. Seinem Vorschlag gemäss wird Max Schmid als Protokollführer bestimmt; Stimmenzähler sind Theo Pinkus, Marianne Fehr und Res Strehle.»

Im Juni 1984 ist die Wochenzeitung WOZ noch keine drei Jahre alt und steckt schon in ihrer zweiten lebensbedrohenden Krise. Gegründet im Herbst 1981 als selbstverwalteter, basisdemokratisch geführter Betrieb mit zunächst etwa sechzehn MitarbeiterInnen, fehlt es der Zeitung, die sich der linken Bewegung und keiner Partei verpflichtet fühlt, an Abonnementen und Inseraten. Man bräuchte vor allem mehr zahlende Leserinnen und Leser, aber von jenen, die bisher gewonnen wurden, sind einige der Meinung, nun sei die Zeit gekommen, auch aktiv einzugreifen und das junge Projekt vor dem Untergang zu retten. «Institutionalisieren wir unsere Solidarität mit der WoZ!», schreiben sie nach einer ersten Sitzung in ihren Aufruf, den die Zeitung zweimal veröffentlicht.

«Der Förderverein ProWoZ will mit der nötigen Phantasie jene Aktivitäten entfalten, die das langfristige Überleben der WochenZeitung garantieren. Am Beispiel der WoZ wird sich erweisen, ob eine freie, unabhängige Presse in der Schweiz noch eine Zukunft hat. Ob es möglich ist, eine Zeitung zu machen, die ihr Fähnlein nicht in jeden Wind zu hängen braucht.»

Woran 1984 wohl kaum jemand glaubt, wird in der Folge wahr: Die WOZ überlebt langfristig. Sie überlebt als linkes Blatt und als demokratisch organisiertes Unternehmen, das sich im Lauf der Jahre und Jahrzehnte immer wieder inhaltlich und personell erneuert und dem es mithilfe des Fördervereins ProWOZ gelingt, auch spätere Krisen, Kollapse und Beinahekonkurse zu meistern.

Retter in der Not

An jenem Samstag, dem 23. Juni 1984, werden zunächst Statuten verabschiedet, ein Vorstand wird gewählt, er besteht aus den SoziologInnen Rosmarie A. Meier (sie übernimmt den ersten Vorsitz) und Daniel Glass, dem Kinderpsychiater Thomas Schnyder sowie dem Physiker Paolo Schwendimann.

Daniel Glass: «Ich war damals Sekretär bei Terre des hommes Schweiz, bewegte mich in einem allgemein linken 68er-Umfeld und hatte die Gründung der WOZ von sehr nahe mitbekommen. Schon bevor die Zeitung das erste Mal erschien, hatte ich Kontakt zum späteren WOZ-Kollektiv, und natürlich hatte ich auch Geld in die WOZ gesteckt und WOZ-Obligationen gekauft. Wegen dieser Obligationen entstand ja das Problem.»

Zum WOZ-Kollektiv gehört seit Anfang 1983 der spätere Radiojournalist Alexander Grass, er arbeitet als Auslandredaktor, und wegen seiner österreichischen Staatsangehörigkeit publiziert er unter dem Pseudonym Urs Zwicky:

Alexander Grass: «Ich glaube, es war der Schriftsteller Max Schmid, der eines Tages auftauchte und sagte, wir bräuchten einen Förderverein. Die WOZ hatte bei ihrer Gründung eine Anleihe aufgenommen. Eine Obligation nach Schweizer Recht, 350 000 Franken, die 1986 zurückbezahlt werden mussten. Allerdings hatten die Einnahmen nie gereicht, um dafür Rückstellungen zu machen.»

Ein Mitglied des Kollektivs ist seit der Gründung auch Jürg Fischer. Zuerst als Redaktor, in der ersten WOZ-Krise wechselt er jedoch in die unterbesetzte Administration, um eine Werbekampagne mitzuorganisieren:

Jürg Fischer: «Die erste Rettungskampagne von 1983 war erfolgreich. Wir hatten sogar das Gefühl, wir könnten jetzt ausbauen, und Anfang 1984 erweiterten wir die Zeitung von sechzehn auf zwanzig Seiten. Bald merkten wir, dass wir diesem Ausbau finanziell nicht gewachsen waren. So liefen wir mehr oder weniger fadengrad auf eine zweite Überlebenskampagne zu.»

Anfang 1983 hat die WOZ nach eigenen Angaben rund 4800 AbonnentInnen, Ende des Jahres sind es fast 8500, doch schnell brechen die Zahlen wieder ein, und im Sommer 1984 fehlen für eine ausgeglichene Bilanz ungefähr 1500 Abos. Ein WOZ-Lohn beträgt 1900 Franken pro Monat, wegen der Krise hat ihn das Kollektiv um fünf Prozent gesenkt, das Abonnement kostet 128 Franken, der Mitgliederbeitrag für den frisch gegründeten Förderverein wird auf 250 Franken festgelegt, inklusive Abonnement. Als angestellter Sekretär des ProWOZ fungiert in den ersten drei Jahren der Zürcher Schriftsteller Max Schmid. Er ist Theaterautor und Verfasser von Fernsehspielen, sehr bekannt ist er mit zwei dokumentarischen Büchern geworden: «Demokratie von Fall zu Fall» (1976), über Repression in der Schweiz, und «Schalom! Wir werden euch töten!» (1979), über Antisemitismus. Schmid, der später auch bei der Gründung der Alternativen Bank eine massgebliche Rolle spielt, wird 1993 mit nur 67 Jahren sterben. Im Nachruf der WOZ wird Jürg Fischer schreiben:

«In einer Zeit, als die WoZ noch unmittelbar ums Überleben kämpfte, gelang es ihm, innert Kürze einen tragfähigen Verein mit damals über 400 WoZ-Gönnerinnen und -Gönnern auf die Beine zu stellen. Max Schmids Einfallsreichtum und Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass die WoZ bereits 1985, vier Jahre nach ihrem Start, ihre sechsstelligen Anfangsschulden tilgen konnte und seither konstant gesunde Bilanzen ausweist.»

In den Tagen vor der Gründungsversammlung hat Max Schmid etwa 3000 WOZ-AbonnentInnen angeschrieben und in einer ersten Hilfsaktion gegen 20 000 Franken aufgetrieben, ein Resultat, das «einiges unter den Erwartungen liegt», wie er am 23. Juni erklärt, denn die Summe deckt nur gerade ein Viertel des im ersten Halbjahr 1984 erwirtschafteten Defizits. Das WOZ-Kapital ist aufgebraucht, falls man kein Konzept für die Entschuldung hat, muss die Genossenschaft umgehend Konkurs anmelden. Schmids erste und wichtigste Aufgabe als Sekretär ist es nun, die Darlehensgeber zu kontaktieren und ihnen einen Deal anzubieten.

Daniel Glass: «Max Schmid erfand nämlich eine geniale Umschuldungsaktion. Wir schrieben alle Leute an, die ein Guthaben bei der WOZ besassen, das heisst, Max Schmid schrieb sie hauptsächlich an, und wir schlugen ihnen vor, die Ausstände in WOZ-Abos oder in Inserategutscheine umzuschulden.»

Alexander Grass: «Max Schmid war ein Überzeugungstäter. Er konnte WOZ-LeserInnen dazu bringen, dass sie als ProWOZ-Mitglieder den doppelten Abonnementsbetrag bezahlten, das war die erste Säule unserer Rettung. Die zweite Säule war, dass Schmid die Leute überzeugte, auf die Rückzahlung ihrer Obligationen zu verzichten und dafür Gutscheine zu akzeptieren. So zahlten wir unsere Kredite praktisch in Naturalien zurück. Die dritte Säule war dann eine betriebswirtschaftliche Neuausrichtung, an der einige Leute in der WOZ fast Tag und Nacht arbeiteten. Tatsächlich verschafften uns die Abo- und Inserategutscheine nur ein wenig Zeit, die Probleme der WOZ waren damit nicht gelöst.»

Daniel Glass: «Diese Umschuldung von WOZ-Obligationen in Abonnemente und Inserategutscheine war in der ersten Zeit die Hauptaktivität des Fördervereins ProWOZ. Allerdings wurde das WOZ-Kollektiv bald etwas skeptisch und sagte: Wenn ihr so viele Gutscheine weit in die Zukunft hinaus verteilt, dann nehmt ihr uns damit unsere zukünftigen Einnahmen weg.»

Auch die Idee, den Förderverein als aussenstehende Institution aufzubauen, scheint von Max Schmid erdacht worden zu sein – unabhängig vom Kollektiv sollte er sein, personell nur durch einzelne VertreterInnen mit der WOZ verbunden, aber mit dem einzigen statutarischen Zweck, die WOZ-Redaktion zu unterstützen. Wie gut das funktionierte, werden wir noch sehen. ProWOZ-Gründer Max Schmid wird übrigens von allen, die ihn kannten, als sehr eigenwilliger und streitbarer Mann beschrieben. Er konnte aufsässig sein und hart austeilen. Man habe das WOZ-Kollektiv manchmal vor seinen ungeduldigen Vorstössen schützen müssen oder umgekehrt ihn selber vor den Reaktionen des in Geld- und Machtfragen überaus misstrauischen Kollektivs. Im ersten Jahresbericht meldet der Förderverein jedenfalls, dass die Obligationenschuld von 350 000 Franken schon fast getilgt werden konnte:

«Das ProWoZ-Übernahmeangebot an die Obligationäre (50 % Barauszahlung, 50 % in Verrechnung mit WOZ-Abo-/Inserate-Gutscheinen und mit ProWOZ-Mitgliederbeiträgen wurde bisher von ¾ aller Obligationäre akzeptiert.»

An der ersten Jahresversammlung im März 1985 nehmen 32 Mitglieder teil (400 zahlen Beiträge), am nachfolgenden WOZ-Überlebensfest in der Roten Fabrik in Zürich erscheinen 100 SympathisantInnen; der Psychiater Berthold Rothschild hält ein kritisches Referat zur WOZ-Berichterstattung («WoZ right? WoZ wrong?»), das offenbar zu einer «lebhaften Aussprache» führt, in den alten Zeitungen aber nicht zu finden ist.

Verein und Recherchierfonds

Sieben Präsidentinnen und Präsidenten hat der Förderverein ProWOZ im Lauf von 31 Jahren gesehen. Wie viele Vorstandsmitglieder es waren, lässt sich aufgrund der Protokolle wahrscheinlich nachzählen, die genaue Lektüre dieser Protokolle wäre indessen eine eher langweilige Arbeit: Zwar gab es Versuche, den Förderverein auch als politisch aktive Organisation zu positionieren – schon bei der ersten Jahresversammlung schlug jemand vor, regionale ProWOZ-Gruppen zu gründen und Veranstaltungen zu organisieren. Solche Anläufe verpufften aber rasch. Die Geschäfte des ProWOZ beschränkten sich auf die reine Finanzbeschaffung und auf die nahezu bedingungslose Weitergabe der Gelder an die Zeitung oder, wie es in den Statuten hiess:

«Der Verein bezweckt die Sicherung der redaktionellen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der WochenZeitung (WoZ) durch entsprechende Mittelbeschaffung und andere geeignete Massnahmen. Redaktion, Verlag und Betriebsführung der WochenZeitung sind vom Verein völlig unabhängig.»

Wobei der zweite Satz übrigens auf Vorschlag des legendären linken Buchhändlers Theo Pinkus so klipp und klar formuliert worden war.

In einem Punkt verschafft sich der Vorstand dann aber doch eine inhaltliche Aufgabe mit direkter Auswirkung auf die WOZ-Berichterstattung: Ende 1985 ruft er in einem Inserat zur Gründung eines Recherchierfonds auf, es werden zunächst PatInnen gesucht, die monatlich zwanzig Franken einzahlen, und zum Beweis, wie nützlich das sein kann, beginnt die Zeitung in derselben Nummer, eine vom ProWOZ finanzierte Reportageserie aus den Philippinen abzudrucken. Der Recherchierfonds wird heute oft mit dem Förderverein gleichgesetzt. In Wirklichkeit ist er etwas jünger und als Instrument um einiges konkreter: Während die Mitgliedsbeiträge des Vereins naturgemäss auch in den Apparat, in Verwaltungsaufgaben und in Werbekampagnen fliessen, dürfen die zusätzlichen Recherchierfondsspenden nur für zuvor bestimmte journalistische Projekte verwendet werden.

Acht Jahre Aufschwung, zehn Jahre Krise

Nach den hektischen Gründungszeiten – zu denen ein öffentlicher Streit über die Frage gehörte, welche elektrischen Satzmaschinen zu beschaffen seien beziehungsweise wie sehr solches Teufelszeug die Arbeit und die demokratischen Verhältnisse der WOZ beschädigen könnte (Computerdebatte 1986); nach einer ebenfalls umstrittenen Öffnung der Zeitung in weitere kulturelle und politische Bereiche, die zum Austritt eines Teils der Gründergeneration um den heutigen «Tages-Anzeiger»-Chef Res Strehle führte; mit zunehmender Professionalisierung der Redaktion, die zu ihrem fünften Geburtstag im Oktober 1986 ein neues Layout erhielt – begann sich die Situation des «Organs der Opposition im Lande» zu konsolidieren. Die Beiträge des Fördervereins trugen dazu bei. Plötzlich wurden schwarze Zahlen geschrieben, und das in der Krise auf 16 Seiten zurückgefahrene Blatt konnte sich auf 24 Seiten vergrössern, wofür der ProWOZ 225 000 Franken sprach:

«Für den Förderverein ist daran neu, dass nicht mehr die Rettung der WochenZeitung vor dem drohenden Untergang (…) zur Diskussion steht, sondern dass die Mittel für eine Investition in die Zukunft der WoZ beschafft werden müssen.»

Nach Rosmarie A. Meier übernahm Daniel Glass von Terre des hommes das ProWOZ-Präsidium, später präsidierten der Reihe nach Cornelia Hürzeler von der Erklärung von Bern, die Anwältin Marta Arnold, die 2015 verstorbene Journalistin Verena Bürcher, der Gewerkschafter Serge Gnos und – seit 2011 – der Badener Jurist Leo Scherrer.

Die WOZ erlebte bis Mitte der neunziger Jahre erstmals eine Phase der relativen Prosperität (mit Löhnen auf niedrigem Niveau), doch dann begann eine neue Serie von Krisen, aus denen die Zeitung fast ein Jahrzehnt lang nicht mehr herauskam: WOZ und ProWOZ beschafften immer wieder neues Geld mit Kampagnen, in denen lieber von Ausbauplänen als von strukturellen Verlusten die Rede war. Die Rettungsaktionen trugen so schöne Titel wie «Eine Million mit links» (1997) und «Die Kapitalerhöhung» (2003), schliesslich – in einer besonders verzweifelten Situation – hiess es nur noch: «Gebt uns Geld» (2005). In diesen Jahren wurde vom ProWOZ eine Geschichte der öffentlichen Pressefinanzierung besonderer Art geschrieben, die im Detail erst noch zu rekonstruieren wäre. Seit 2005 allerdings scheint die Zeitung ihre Ausgaben und Kosten im Griff zu haben. Statt Defizite und Verlustfinanzierungen gibt es Gewinne, Lohnerhöhungen, Gratifikationen, sogar Kompensationszahlungen für die Pensionskassen einiger VeteranInnen wurden möglich. Ist der Förderverein als Geldmaschine in dieser Situation überhaupt noch nötig?

Cornelia Hürzeler (Vorstandsmitglied von 1988 bis 1995): «Der Förderverein ist auf jeden Fall ein sehr gutes Modell für die WOZ, nicht nur wegen der finanziellen Komponente. Natürlich investiert man lieber in einen Förderverein oder in einen Recherchierfonds als in eine Genossenschaft. Aber der wichtigste Vorteil dieses Fördervereins sind seine Mitglieder, die Leserinnen und Leser. Der ProWOZ verschafft der Zeitung eine zusätzliche Verbundenheit mit diesen Leuten. Dank dem Förderverein hat die WOZ mehr Bodenhaftung und ist kein Hors-sol-Produkt.»

Marta Arnold (Vorstandsmitglied von 1991 bis 2000): «Ja. Er ist wirklich noch nötig. Erstens weiss man nie, wie lange das hinhält mit den schwarzen Zahlen, und dann sollte der Verein nicht erst wieder aufgebaut werden müssen. Zweitens ist der Förderverein für uns Mitglieder eine Möglichkeit, einmal im Jahr Solidarität mit der WOZ zu zeigen. Es gibt ja trotz schwarzer Zahlen immer Projekte, bei denen die Zeitung an ihre finanziellen Grenzen kommt. Ich hoffe, dass es auch weiterhin solche Projekte gibt, denn sonst müsste man sich Sorgen machen um die Fantasie der WOZ.»

Serge Gnos (Vorstandsmitglied von 2002 bis 2011): «Ich glaube, der ProWOZ gibt der WOZ weiterhin Unabhängigkeit. Er gibt ihr das Privileg, auch einmal grössere Geschichten anzugehen, die etwas mehr Investitionen verlangen. Eigentlich sollte der ProWOZ aber das Scheitern erlauben. Ich erhoffe mir so etwas immer wieder. Es sollte möglich sein, dass der ProWOZ auch einmal etwas finanziert, bei dem am Ende vielleicht nicht das herauskommt, was man wollte, sodass es dann gar keine Geschichte gibt. Insgesamt leidet der Journalismus heute darunter, dass man nicht scheitern darf.»

Leo Scherrer (Vorstandsmitglied seit 2011): «Ja, ich habe mir das schon überlegt. Der WOZ geht es gut, braucht es uns überhaupt noch? Dafür gibt es immer zwei Argumente: Es könnte der WOZ plötzlich wieder schlecht gehen, dann wäre man als Förderverein bereits präsent. Und andererseits zahlt der ProWOZ auch in guten Zeiten einen Anteil von rund sieben Prozent an den Umsatz der Wochenzeitung. Es ist eine zusätzliche Marge, ein Spielraum, den ein gutes Medium eben braucht. Ich bin felsenfest davon überzeugt: Dank diesem Beitrag der Mitglieder kann die WOZ auch Leistungen und Efforts bringen, die sonst nicht möglich wären.»

Der Alltag des Geldverteilens

Ausserdem, sagt der heutige Präsident Leo Scherrer, seien die WOZ-Löhne nach wie vor nicht gigantisch. Der frühere Präsident und Gewerkschafter Gnos sagt, sie müssten vor allem für die freien MitarbeiterInnen höher sein, die als Externe ja nicht von der Selbstverwaltung profitierten. Interessanterweise seien die WOZ-Löhne aber zuletzt gegenläufig zur Medienkrise gestiegen. Heute sind es einheitlich 5000 Franken brutto für eine Hundertprozentstelle.

Aktiv beim ProWOZ war zu allen Zeiten fast nur der Vorstand: Er besteht heute aus acht Personen, von denen zwei die WOZ vertreten. Immer noch ist das WOZ-Kollektiv laut Statuten «vom Verein völlig unabhängig». Allerdings entscheidet der Vorstand jährlich über ungefähr fünfzig Recherchierfonds-Gesuche der Redaktion und führt dabei inhaltliche Diskussionen. Für manche AktivistInnen ist das der interessanteste Teil der ganzen Arbeit:

Sina Bühler (Vorstandsmitglied von 2011 bis 2014): «Ich war früher selber WOZ-Redaktorin, und das ist ja das Besondere auf der WOZ, dass man ständig über Inhalte redet. Auf anderen Redaktionen wird viel weniger über Inhalte geredet. So profitierte ich von den Diskussionen im ProWOZ. Und noch etwas: Man lernt im Förderverein auch Leute kennen, die man sonst nicht kennen würde, man kann sein berufliches Netz erweitern, das ist für mich als Journalistin wichtig.»

Sara Vogt (Vorstandsmitglied seit 2014): «Ich bin als Gewerkschaftssekretärin in den Vorstand gewählt worden, heute arbeite ich als Personalberaterin. Ich freue mich jedes Mal auf die ProWOZ-Sitzung. Sie findet am Abend statt, und immer ist schon ein Imbiss vorbereitet. In den letzten Monaten waren der Abonnentenbrief, die Mitgliederversammlung und das Jubiläum die wichtigsten Themen, dazu natürlich die Anträge, die aus der Redaktion kommen. Darüber findet ein guter Austausch statt. Ich finde es cool, dass sich an den Sitzungen Leute von ausserhalb und aus der Redaktion treffen. Ich glaube, die WOZ-Leute finden das auch interessant.»

Marta Arnold (ehemalige Präsidentin): «Für mich war die ProWOZ-Tätigkeit wirklich eine grosse Befriedigung. Ich habe das sehr, sehr gut in Erinnerung. Es war eine politische Arbeit, bei der man einfach auf der richtigen Seite war. Und ich fand es total lässig, ein bisschen Geld zu verteilen.»

Leo Scherrer (heutiger Präsident): «Wir beurteilen im Vorstand rund fünfzig Recherchierfonds-Gesuche pro Jahr. Das ist die einzige Aufgabe, bei der wir inhaltliche Entscheide fällen müssen. Natürlich ist es das Interessanteste. Man bekommt etwas Insiderwissen, man weiss im Voraus, was für Geschichten die WOZ so plant. Mit der Aussicht auf diese Aufgabe versuche ich, neue Leute für den Vorstand zu ködern.»

Dass es Konflikte zwischen Vorstand und Redaktion gab – wie in den hektischen Gründerzeiten mit Max Schmid manchmal –, daran kann sich von den jüngeren Vorstandsmitgliedern keines erinnern. Auch die seltenen Vorstösse unzufriedener WOZ-LeserInnen, die versuchten, über den ProWOZ als Geldgeber die Redaktion politisch unter Druck zu setzen (Namen der Redaktion bekannt), sind vom Verein stets zurückgewiesen worden. Der Förderverein ProWOZ, gegründet vor 31 Jahren und ein paar Tagen, hatte im letzten Jahr 870 Mitglieder, fast 100 000 Franken nahm er zusätzlich für den Recherchierfonds ein, und er überwies der immer noch linken, unabhängigen WOZ, die heute nach überprüften Angaben 15 864 Exemplare verkauft, auf dem Spendenweg 328 354 Franken.

Stefan Keller, WOZ-Redaktor seit 1988, war viele Jahre Vertreter der Redaktion im Förderverein ProWOZ.

Recherchierfonds

Dieser Artikel wurde ermöglicht durch den Recherchierfonds des Fördervereins ProWOZ. Dieser Fonds unterstützt Recherchen und Reportagen, die die finanziellen Möglichkeiten der WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der WOZ-Leser:innen.

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