Russland: Zwanzig Jahre Haft für ein bisschen Kritik
Russland im Sommer 2015: In Rostow am Don im Süden des Landes läuft ein Gerichtsverfahren gegen den ukrainischen Regisseur Oleh Senzow und den linken Aktivisten Alexander Koltschenko. Die Justiz wirft ihnen unter anderem die «Bildung einer terroristischen Vereinigung» vor. Genauer: Sie sollen vergangenes Jahr das Büro einer prorussischen Partei auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim in Brand gesteckt und zudem geplant haben, eine Lenin-Statue in die Luft zu sprengen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einem Schauprozess.
Westliche Kinoverbände und FilmkollegInnen, aber auch der preisgekrönte russische Regisseur Andrei Swjaginzew schrieben Briefe an Präsident Wladimir Putin, in denen sie die sofortige Freilassung der Beschuldigten forderten. Sämtliche Appelle blieben ohne Wirkung: Am Dienstag dieser Woche verurteilte das Gericht Senzow zu zwanzig Jahren Straflager. Aktivist Koltschenko muss für zehn Jahre ins Gefängnis. «Das Verfahren muss als Warnung verstanden werden. Es erinnert stark an die Schauprozesse gegen sowjetische Dissidenten zu Stalins Zeiten», sagte eine Vertreterin von Amnesty International unmittelbar nach der Urteilsverkündung.
Die Beweise für die «terroristischen Aktivitäten», die das Gericht vorgelegt hat, sind äusserst fragwürdig. Zum Verhängnis wurde Senzow und Koltschenko sowieso ihre Kritik an Wladimir Putin: Sie hatten dem Machthaber im Kreml vorgeworfen, die Krim völkerrechtswidrig annektiert zu haben. Zudem hatte Senzow, der selbst auf der Krim geboren ist, sich geweigert, die russische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Dem Kreml, der von den BewohnerInnen der Krim uneingeschränkten Patriotismus erwartet, dürfte das nicht gefallen haben.
Derweil eröffneten die ukrainischen Behörden ein eigenes Verfahren: Nachdem Senzow und Koltschenko auf der Krim festgenommen worden waren, brachten FSB-Mitarbeiter sie nach Russland. Die ukrainische Staatsanwaltschaft spricht deshalb von Entführung.