Südafrikas Kommunistinnen: Allianz vor Prinzipien

Nr. 35 –

Unter Südafrikas KommunistInnen regt sich Widerstand gegen die Wirtschaftspolitik der Regierungspartei. Doch den offenen Bruch wagen sie nicht – zu eng sind ihre führenden Köpfe in die Staatsführung eingebunden.

Einen «Angriff auf die demokratische Verfassung unseres Landes» nannte die South African Communist Party (SACP) die Suspendierung der Sprecherin des Parlaments der nordöstlichen Provinz Limpopo am 17. August. «Gleichbedeutend mit einem Putsch.» Denn nicht etwa die Abgeordneten hatten versucht, Merriam Ramadwa von ihren Aufgaben zu entbinden, sondern die lokale Führung des African National Congress (ANC). Diese wirft der Sprecherin «Verweigerung, Anweisungen des ANC auszuführen» vor. Eigentlich fehlt der Regierungspartei dazu die Befugnis. Doch einerseits beruft sie sich auf ihre Allianz mit der SACP, andererseits ist Ramadwa Mitglied in beiden Parteien.

Neben den seit Jahren andauernden Flügelkämpfen im Gewerkschaftsbund Cosatu droht der Regierungspartei nun auch das Abdriften der dritten Bündnispartnerin, der SACP. Noch manifestiert sich dies in lokal begrenzten Konflikten, die sich wie in Limpopo an einer Mischung aus persönlichen Machtkämpfen und politischen Differenzen entzünden. Doch die Risse vertiefen sich. Vor ihrem Sonderparteitag Anfang Juli kursierte in der SACP bereits ein Strategiepapier, das die derzeitige Ausrichtung des ANC kritisiert. Ein Grossteil der Parteimitglieder möchte über die Zukunft in der Allianz diskutieren, einzelne Kader denken gar darüber nach, bei Wahlen bald unabhängig vom ANC mit eigenen Listen anzutreten.

Die Parteispitze der SACP agiere als «Cheerleader» für Staats- und ANC-Präsident Jacob Zuma, sagte Steven Friedman, der Direktor des Centre for the Study of Democracy an der Universität von Johannesburg. Sie verliere zusehends an Einfluss. Wie eng die SACP mit der ANC-Regierung verwoben ist, zeigt ein Blick auf die Führung der kommunistischen Partei: Vier der sechs Mitglieder bekleiden Ministerposten.

Schwindender Einfluss

Seit der ANC 1994 unter Nelson Mandela in die Regierungsverantwortung gewählt wurde, versucht die SACP, dessen Politik mitzugestalten. Das gelang ihr bis 1996 noch mit sichtbarem Erfolg in der Sozialpolitik. Doch ihre Durchsetzungskraft schwand mit dem wachsenden Einfluss der neoliberalen ANC-Kader. Um Thabo Mbeki 2008 von der Parteispitze – und damit aus dem Präsidialamt – zu drängen, setzten die KommunistInnen auf dessen Kontrahenten Jacob Zuma. «SACP: Unser Zuma-Fehler», titelte Südafrikas grösste Wochenzeitung «Mail & Guardian» Ende Juli und berief sich auf «Eingeständnisse» in einem parteiinternen Diskussionspapier.

Eine offene Abrechnung mit der Regierung wagt die SACP aber nicht – und steht so vor einem Dilemma: Ihr in der Parteiverfassung selbst auferlegtes Ziel, «der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft, in der alle Formen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beendet sind», steht konträr zur wirtschaftspolitischen Leitlinie, die sich der ANC spätestens im Februar 2013 mit seinem Nationalen Entwicklungsplan gegeben hat. Das Programm, das auf einem Entwurf von Trevor Manuel basiert, der die SACP bereits von 1996 bis 2009 als Finanzminister zunehmend in die Bedeutungslosigkeit drängte, setzt auf Privatinvestitionen als Wachstumsmotor. Der SACP-Vize Jeremy Cronin warnte vor dem Parteitag im Juli offen vor einer «Vertiefung der Abhängigkeit Südafrikas vom Monopolkapital».

«Bodyguard des Kapitals»

Weil die SACP als Koalitionspartnerin den bis 2030 angelegten Langzeitplan dennoch mitträgt, sieht sie sich beissender Kritik gegenüber. «Die Kommunistische Partei hat sich selbst zum Bodyguard des Kapitals gemacht», schimpfte der im März dieses Jahres gefeuerte Ex-Cosatu-Generalsekretär Zwelinzima Vavi in einem Interview mit dem linken Politikmagazin «Amandla!» im Juli. Etwas analytischer, aber kaum versöhnlicher drückte es der 2010 aus der SACP ausgeschlossene Parteisprecher Mazibuko Jara aus: «Letztlich läuft die Strategie der SACP auf eine Art Post-Apartheid-Kapitalismus mit sozialdemokratischen Zugeständnissen hinaus.»

Auch an der SACP-Basis wird die enge Bindung an den ANC zunehmend kritisiert. Auf dem Sonderparteitag scheiterte allerdings ein Vorstoss, künftig unabhängig vom ANC um die Macht im Staat zu kämpfen – zur Freude des ANC. Dieser hätte nach einem etwaigen Bruch Mühe, das eigene Programm noch als revolutionär zu verkaufen. Die SACP-Parteiführung setzte schliesslich ihren Vorschlag durch, eigene Kandidaturen auf unbestimmte Zeit zu verschieben – und schiebt sich damit noch tiefer in die Bedeutungslosigkeit.

Tobias Klie schreibt als freier Journalist über Gewerkschaften und gesellschaftliche Transformation im südlichen Afrika.