Durch den Monat mit Gülsha Adilji (Teil 1): Unterschätzen Sie Ihren Einfluss?

Nr. 40 –

Gülsha Adilji hat sich als Moderatorin einer Nachmittagssendung auf dem Spartenfernsehsender Joiz einen Namen gemacht. Warum sie keine Journalistin sein will, und wie sie mit dem Spagat zwischen Katzenvideos und dem Krieg in Syrien umgeht.

Gülsha Adilji im Joiz-Studio: «Ich bin mir nicht sicher, wie effektiv es ist, Steine zu werfen.»

WOZ: Frau Adilji, von Beruf sind Sie Plaudertasche. Reden wir also über das Quatschen. Sie sagten einmal, Sie ziehen Interviews im Radio den gedruckten vor. Was ist der Unterschied?
Gülsha Adilji: Bei gedruckten Interviews wird die Antwort nach Gutdünken des Journalisten gekürzt, und so kommt es am Ende oft falsch rüber. Manche schreiben mir auch gerne Wörter wie «krass» zu. Diesen Ausdruck benutze ich zwar gerne – gedruckt wirkt es trotzdem absurd. Eine geschriebene Antwort ist deshalb immer nur ein kleiner Schatten der Antwort.

Haben Sie Angst, falsch wahrgenommen zu werden?
Der Leser soll das bekommen, was ich gegeben habe – sonst bräuchte ich ja keine Interviews zu geben. Ein gedrucktes Interview ist aber vor allem das, was der Journalist daraus macht. Im Radio ist meine Antwort, ob gut oder schlecht, einfach draussen, ist also authentischer. Also geben Sie sich Mühe!

Also: Der «Schweizer Journalist» wählte Sie 2012 zur Newcomerin des Jahres. Sie betonen aber gerne, gar keine Journalistin zu sein. Warum?
Wenn jemand wie ich einen Journalistenpreis bekommt, ist das doch für alle echten Journalisten eine Beleidigung. Mein Job ist vielmehr, ihre Arbeit zu kommentieren. Ich weiss auch gar nicht recht, wie ich zu diesem Titel komme. Irgendjemand hat mich mal so bezeichnet, und jetzt meinen alle, ich sei Journalistin. Ich versuche vehement, diese Wahrnehmung zu widerlegen, irgendwie bleibt es aber trotzdem hängen.

Wie würden Sie sich denn selbst bezeichnen?
Ich sehe mich als Geschichtenerzählerin. So könnte ich das auch in die Steuererklärung schreiben.

Wie muss man sich Ihre Arbeit bei Joiz vorstellen?
An einem normalen Arbeitstag macht meine Sendung nur eine halbe Stunde aus. Den Rest der Zeit bereite ich die Inhalte vor und schreibe Texte. Die Idee von «Noiz» ist – der Name sagt es bereits –, über Themen zu reden, die für Lärm gesorgt haben. Die Sendung wird also von dem gesteuert, was die Zuschauer bewegt. Ich versuche aber auch, bestimmten Themen Gewicht zu verleihen, im Sinn von: In Syrien herrscht Krieg – und «20 Minuten» findet die neue Frisur der ehemaligen Miss Schweiz relevanter.

Ist «Noiz» also auch eine Persiflage auf die Medien?
Mein Ziel ist, auf die Absurdität des Medienzirkus hinzuweisen. Leider verstehen das viele Zuschauer nicht: Sie glauben, ich meine alle meine Aussagen ernst. Aber das ist mir egal. Es ist nicht meine Aufgabe, diesen Leuten die Welt zu erklären. Hauptsache, es kommt bei denen richtig an, die verstehen, was ich meine.

Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Katzenvideos und dem Krieg in Syrien?
Ich vergleiche die Sendung gerne mit einem Kaffeeklatsch mit Freunden. In solchen Gesprächsrunden haben ja auch verschiedene Themen Platz. Der Unterschied ist, dass die Kamera läuft und ich die Einzige bin, die redet.

Versuchen Sie, den Zuschauern eine Denkrichtung vorzugeben?
Ich würde das eher «inspirieren» nennen. Lenken hiesse, sich wie die SVP die Titelseite von «20 Minuten» zu kaufen – und dafür habe ich nicht genug Geld. Ich würde das nie zugeben, aber ich versuche natürlich schon, die Welt zu einem besseren Ort zu machen (lacht).

Was für ein schöner widersprüchlicher Satz!
Viele betrachten die Welt doch mit Denkabkürzungen. Ich versuche, die Zuschauer dazu zu bringen, sich vereinfachte Sachverhalte noch einmal genauer anzuschauen. Ich will, dass der Zuschauer im ersten Moment über meine Witze lacht und meine Sendung bei ihm ein positives Gefühl hinterlässt. Er soll sich denken: «Guter Witz, den kann ich an der Party heute Abend auch bringen.» Im zweiten Schritt soll er sich aber denken: «Wieso ist heute wieder der ‹Bachelor› in den Medien? Andere Dinge sind doch viel relevanter.»

Sie unterschätzen Ihren Einfluss.
Ich glaube, mein Einfluss ist gar nicht so gross. Das Problem ist doch, dass ich eher bei denen ankomme, die sowieso schon der gleichen Meinung sind. Zu den anderen dringe ich eh kaum durch. Das merke ich immer bei Diskussionen mit Freunden: Wenn ich nicht einmal die mit meinen Argumenten überzeugen kann, wie soll ich dann die Denkweise meiner Zuschauer verändern? Ich habe oft das Gefühl, die Welt zwar durchschaut zu haben, aber dennoch nichts verändern zu können.

Das klingt ziemlich fatalistisch …
Das ist wohl der Zeitgeist – die meisten wollen den Status quo um jeden Preis erhalten. Hier in der Schweiz geht es uns doch viel zu gut, wir sind süchtig nach Unterhaltung und Emotionen, und davon bitte immer mehr. Uns fehlt vermutlich der revolutionäre Wille zur Veränderung. Ein paar gehen zwar auf die Strasse und werfen Steine. Ich bin aber nicht sicher, wie effektiv das ist. Man sollte den Problemen mit Intelligenz begegnen: Religion abschaffen und durch Wissenschaft, Kunst und Philosophie ersetzen. Das wäre doch mal eine Lösung!

Gülsha Adilji (29) moderiert beim Fernsehsender Joiz die Nachmittagssendung «Noiz». 
Für die «az Nordwestschweiz» kreiert sie neuerdings auch gedruckte Kolumnen.