Visionen: Spontanüberfälle in Zürich Altstetten
Es gehört zu den Geheimnissen des Kapitalismus, dass mit seiner Landnahme oft Ausbrüche der Originalität einhergehen – man denke an Zwischennutzungen als erster Schritt zur Gentrifizierung. Ein solches Experimentierfeld ist derzeit auch das Onlineportal von SRF, dessen Ausbau der Sender vorantreibt, auch wenn er dafür keine Werbung verkaufen darf. Ganz zum Ärger der Verleger, die mutmassen, dass später doch Kasse gemacht wird. Für das Portal lässt SRF fürs Erste Webserien mit tiefen Budgets produzieren. Mit dem positiven Effekt, dass hier endlich ein Schweizer Fernsehen zu sehen ist, wie es auch sein könnte – schräg, rasant, lustig und manchmal sogar politisch. «Güsel», die Serie um die Abfalldetektive in Herblingen mit Gabriel Vetter, machte als lakonischer Abgesang auf die Schweizer Ordentlichkeit den Anfang. Am Freitag dieser Woche startet mit «Roiber und Poli» eine nächste Serie.
Sie handelt von Spieleentwickler Urs und Archäologin Sybille, beide beruflich erfolglos. Bis sie der Idee origineller Einbrüche verfallen, oder um es mit dem Nachbarn, dem pensionierten Kantonspolizisten Peretti, zu sagen, der ihnen auf die Schliche kommt: auf «Spontaneinbrüche». Was mit einem Schinken aus einer Metzgerei in Zürich Altstetten beginnt, wächst sich zum Kunstraub aus, der finale Coup soll folgen. Mittendrin im Geschehen, hin- und hergerissen zwischen der Sorge Perettis und der Bewunderung für die Eltern, steht Tochter Gwendolin, und so wird die Serie auch zu einer Parodie auf die Kleinfamilie: Was, wenn die Eltern in der reichen Stadt nicht mehr brav ins Büro gehen, um den Schinken heimzutragen, sondern ihn klauen?
Low Budget und Teamwork bestimmten auch diesmal die Produktion: Patrick Karpiczenko war Regisseur, Kameramann und Cutter in Personalunion, die Geschichte entwickelt hat er mit den SchauspielerInnen Philippe Graber und Rahel Hubacher. Wie die Serie voll anarchistischem Witz ausgeht, entscheidet jedeR ZuschauerIn selbst: Nach der achten Folge kann man online einen Fragebogen zu Moral und Kriminalität ausfüllen und bekommt dann entweder das gute oder das böse Ende präsentiert.