Simbabwe: Warum die ehemalige Kornkammer Mais importiert

Nr. 41 –

Präsident Robert Mugabe will die letzten weissen FarmerInnen aus Simbabwe vertreiben. Die Bevölkerung leidet aber nicht ihretwegen, sondern massgeblich wegen der willkürlichen Verteilung des Farmlands.

Noch höchstens 300 weisse GrossbäuerInnen bestellen in Simbabwe Land. Vor fünfzehn Jahren, als die Regierung die «beschleunigte Landreform» initiierte, waren es noch über 4000, die zusammen mehr als siebzig Prozent des fruchtbaren Ackerlands besassen, dies bei einer Bevölkerung von rund 11,5 Millionen.

In der Provinz Ost-Mashonaland konnten einige Dutzend weisse BäuerInnen ihr Land behalten, aber nur, weil sie sich politischen Schutz erkauften. «Diese Praxis wird nun abgestellt», so der neue Minister der Provinz im Nordosten Simbabwes, Joel Biggie Matiza. Das langjährige Mitglied der Regierungspartei Zanu-PF fordert eine «gerechte Umverteilung des Landes» auch in seiner Provinz. «Alle von uns bestechen Funktionäre», bestätigt John Worsley-Worswick, ein Sprecher von Gerechtigkeit in der Landwirtschaft (JAG), einer Gruppe von ehemaligen weissen Farmern. «Wir wollen einfach keinen Ärger mehr.»

Nach der Unabhängigkeit Simbabwes 1980 hat die Regierung den weissen Farmern mehrere Gelegenheiten geboten, Land für die Ansiedlung von Schwarzen abzutreten. Aber die meisten wollten ihre Grundstücke nicht verlassen. Dennoch wurden innert zehn Jahren über 20 000 Quadratkilometer an rund 70 000 Begünstigte verteilt. Als klar wurde, dass statt Landlose primär die regierungsnahen Eliten des Landes profitierten, beendete die ehemalige Kolonialmacht, die britische Regierung, die finanzielle Unterstützung der Reform. Präsident Robert Mugabe versuchte fortan, mit einer «beschleunigten Landreform» zu punkten – zumal er die Beliebtheit seiner Regierung schwinden sah. Die restlichen Weissen wurden oft in Nacht-und-Nebel-Aktionen und von Gewalt begleitet von ihren Ländereien vertrieben.

Der «Angstfaktor»

Wenn es nach dem seit dreissig Jahren regierenden Staatsoberhaupt geht, wird es in Kürze gar keine weissen Farmer mehr geben. Denn sie seien die «wahren Feinde» Simbabwes, seien schuld an der ökonomischen Krise im Land. «Unsere Partei muss weiterhin die Furcht in den Herzen der Weissen schüren», sagte der 91-jährige Mugabe in einer Rede während seiner Geburtstagsfeier im Februar 2015. Dieses Ziel hat er erreicht: Mehrere der angefragten weissen Farmer wollten sich nicht für ein Interview zur Verfügung stellen. «Kaum einer von uns traut sich, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Denn das Risiko ist gross, mit nichts als den eigenen Kleidern am Leib vertrieben zu werden», so Worsley-Worswick.

Ben Freeth, ein weisser Farmer und Menschenrechtsaktivist aus Mashonaland, nennt dies den «Angstfaktor»: «Die Farmer haben so grosse Angst, auch noch den letzten Rest des Landes zu verlieren, dass sie deswegen nicht mit den Medien reden.» Freeth ist 2008 international bekannt geworden, als er zusammen mit seinem Schwiegervater das Regime von Mugabe wegen Verletzung von Menschenrechten anklagte. Das höchste Gericht im südlichen Afrika, das Southern African Development Community Tribunal in Windhoek, entschied, dass die Verstaatlichung der Ländereien rassistisch begründet sei und daher die Prinzipien des Tribunals verletze. Die Regierung wurde angewiesen, das Recht von Freeth und seinem Schwiegervater auf Landbesitz zu respektieren.

Mit der beschleunigten Reform sollte das Land der weissen Farmer verstaatlicht und an landlose Schwarze verteilt werden. Der Aktivist Worsley-Worswick dazu: «Profitiert haben in erster Linie Freunde des Präsidenten und hochrangige Parteifunktionäre.» Insgesamt vierzig Prozent des von weissen Farmern beschlagnahmten Landes sind heute im Besitz von Mugabe und seiner Entourage. Hohe Funktionäre haben die wertvollsten Grundstücke erhalten – einige sogar mehrere. Allein Mugabes Frau Grace besitzt insgesamt sieben Farmen. Das restliche Land wurde an die BäuerInnen verteilt: 150 000 schwarze LandarbeiterInnen haben je sechs Hektaren, weitere 23 000 grössere Landstriche erhalten. Aber fünfzehn Jahre nach der beschleunigten Landreform geht es den meisten BäuerInnen nicht gut: Sie nutzen nur einen kleinen Teil des ihnen zugeteilten Landes.

Worsley-Worswick etwa hat 2005 über 700 Hektaren Farmland verloren. Davor hat er 300 Angestellte beschäftigt und mit ihrer Hilfe erfolgreich Tabak und Mais angebaut sowie Rinder gezüchtet. «Heute können die sechs Farmer, denen das Land zugeteilt worden ist, nicht einmal genug erwirtschaften, um sich selbst zu ernähren», sagt der ehemalige Grossbauer.

John Museve ist zusammen mit zwei anderen Bauern ein anderes 700-Hektaren-Grundstück zugesprochen worden, auf dem der weisse Vorbesitzer erfolgreich gewirtschaftet hatte. 2014/15 konnte Museve nur eine Hektare Tabak anpflanzen. «Früher ging es mir gut», erinnert er sich. Doch der Bauer, mit dem er das Land teilte, wollte ihm seine Scheune nicht zum Trocknen des Tabakkrauts zur Verfügung stellen. «Nun ist meine Ernte verrottet, weil ich zuerst eine Scheune bauen muss.» Da er nichts verkaufen konnte, war es ihm nicht möglich, den Kredit zurückzahlen, den er für verschiedene Investitionen aufgenommen hatte. Und weil er nichts besitzt – das Land wurde ja verstaatlicht –, kann er auch kein Geld für das folgende Jahr beantragen. «Ich weiss nicht, wie ich mich jetzt noch retten kann», sagt Museve, der seinen richtigen Namen nicht preisgeben will aus Angst, dass ihm das Land wieder genommen wird, wenn seine Situation bekannt wird.

Der Tabakanbau wird manchmal als Beispiel für den Erfolg der Landreform angeführt: Die Kulturpflanze bringt vielen der bis 2014 registrierten rund 108 000 KleinproduzentInnen ein geregeltes Einkommen. BäuerInnen, die mit Firmen Partnerschaften eingehen konnten und so zu Kapital kamen, reüssierten in der Regel. Dennoch ist die Landwirtschaft massiv eingebrochen: Im Jahr 2000, als die Reform eingeläutet wurde, machte die Landwirtschaft 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, 2013 nur noch 10 Prozent. Der Export von Landwirtschaftsprodukten war damals als Devisenbringer wichtiger als der Bergbau und der Export nicht landwirtschaftlicher Güter.

Anbau bloss für den Eigenbedarf

Auch bei den kleineren Parzellen ist die Bodennutzung nicht mehr so produktiv wie früher. Einige Bauern haben noch nicht einmal damit begonnen, das Land zu bestellen, weil ihnen das Geld fehlt, um in die nötigen Gerätschaften zu investieren. Denn als die Weissen vertrieben wurden, zerstörten sie oft Infrastruktur und Geräte. Weil das Land nun dem Staat gehört, können die neuen BäuerInnen keine Sicherheiten bieten, um Bankkredite zu erhalten. So umwerben sie die ehemaligen weissen Farmer als Partner. Diese sind aber sehr vorsichtig, weil das Regime nicht berechenbar ist. «Verschiedene weisse Bauern haben sich mein Land angeschaut», sagt John Museve. «Aber keiner wollte investieren. Alle haben Angst, dass sie erneut ihr Geld verlieren, wenn die Regierung ihre Strategie wieder ändert.»

Eine Witwe erzählt, dass sie das Land, das ihr 2002 zugeteilt worden ist, schon damals nicht nutzen konnte. Entgegen den Versprechungen lieferte die Regierung nämlich weder Saatgut noch landwirtschaftliche Hilfsmittel. Wie viele andere verpachtet die Frau den grössten Teil des Grundstücks an Landlose und baut nur auf einem Bruchteil der Parzelle etwas für den Eigenbedarf an. Nicht wenige vermieten Äcker an die weissen VorbesitzerInnen, die sowohl Geld wie auch Know-how mitbringen. Aber die Regierung verurteile solche Partnerschaften, sagt Worsley-Worswick: «Sie droht sogar mit Landentzug, wenn mit Weissen Geschäfte gemacht werden.»

Zwar sagte Douglas Mombeshora, der Minister für Landwirtschaft, noch Anfang des Jahres, Joint Ventures könnten «schwarz-schwarz, schwarz-weiss, schwarz-gelb» sein – solange beide Parteien auf Augenhöhe verhandelten. «Jedenfalls müssen wir den Vertrag sehen, bevor er unterzeichnet ist. Dies geschieht zum Schutz beider Parteien.» Doch Robert Mugabe vermutet offenbar, dass schwarze Farmer unter dem Deckmantel eines solchen Vertrags Weisse verstecken. Sämtliche Briten im Land sollten zurück nach England, wo sie hergekommen seien, sagte der Präsident in seiner Geburtstagsrede im Februar. «Verträge mit Weissen sind verboten.»

Erfolgreiche Vertriebene

Durch die eingebrochene Produktion hat die Landreform auch die Ernährungssouveränität untergraben. Ein Viertel der ländlichen Bevölkerung ist heute laut dem Welternährungsprogramm der Uno regelmässig auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen: Die einstige Kornkammer der Region muss nun jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen Mais importieren. Ein grosser Teil davon stammt aus Sambia, wo sich 350 aus Simbabwe vertriebene weisse Farmer angesiedelt haben. «Im Gegensatz zu ihren Landsleuten, die auf ihren früheren Grundstücken arbeiten, produzieren diese Vertriebenen erneut erfolgreich», so Paul Worsley-Worswick. Die Regierung müsse den weissen Farmern ihre Ländereien zurückgeben. «Dann könnte sich Simbabwe nach wenigen Jahren wieder selbst versorgen, weil diese Farmer das nötige Investitionskapital mitbringen.» Das gehe aber nur, wenn das Eigentum geschützt und die bestehenden Gesetze wieder in Kraft gesetzt würden, so der Sprecher von «Gerechtigkeit in der Landwirtschaft».

Diese Forderung stösst nicht zuletzt deshalb auf taube Ohren, weil die Regierung dann auch all die Tausenden von schwarzen BäuerInnen wieder umsiedeln müsste, die sie vor fünfzehn Jahren auf die verstaatlichten Ländereien gelockt hat. VertreterInnen der Black Farmers’ Union fordern stattdessen, dass den BäuerInnen das ihnen zugesprochene Land auch überschrieben wird. Denn nur wenn sie das Land besitzen, haben sie Zugang zu Krediten, mit denen sie Saatgut, die nötigen Geräte und Materialien kaufen können.

Ish Mafundikwa ist freier Journalist in Simbabwe.
Mitarbeit und Übersetzung aus dem Englischen: Corina Fistarol.

Tabak – lukrativ und dreckig

Simbabwe zählt zu den wichtigsten Exportländern von Tabak. 2013 generierten die Tabakausfuhren 771 Millionen US-Dollar. Das entspricht rund vierzig Prozent der Exporteinnahmen des Landes. Rund 100 000 registrierte BäuerInnen – ein Drittel davon sind Frauen – bauen das Kraut an.

Doch für die Umwelt ist die Produktion fatal. Es braucht viel Treibstoff, um die Pflanzen zu trocknen. Vor der Landreform in Simbabwe brauchten mehr als neunzig Prozent der 1500 grössten TabakproduzentInnen mit Kohle angetriebene Umluftöfen und Ventilatoren. Heute benutzen die meisten das günstigere Holz, sagt Abedinigo Marufu, der stellvertretende Geschäftsführer der Forstwirtschaftskommission. «Früher war das Ausmass der Abholzung bescheiden und Wiederaufforstung üblich.» Seit der Umstrukturierung in der Landwirtschaft seien die Wälder so stark dezimiert worden, dass die Regierung 2014 damit drohte, den Anbau von Tabak zu verbieten, wenn die Bauern nicht Kohle verwendeten.