Neokolonialismus: Das exklusive Recht auf Menschenrechte

Nr. 26 –

Der Schweizer Grossgrundbesitzer Heinrich von Pezold und seine Familie besitzen in Simbabwe Land in der Grösse des Kantons Solothurn, das teilweise von den Briten kolonialisiert wurde. Gegen die Ansprüche indigener Gemeinschaften verteidigt sich der Farmer mithilfe eines internationalen Schiedsgerichts.

Heinrich von Pezold lässt sich gerne als unbeugsamer Einzelkämpfer inszenieren, der dem korrupten Regime in Simbabwe entgegentritt: Die NZZ schrieb 2014, dass er «hart um sein Land kämpfen muss» und der Regierung schutzlos ausgeliefert sei. Noch dramatischer ist eine Reportage im US-Magazin «National Geographic» zwei Jahre später: Der weisse Farmer mit Schweizer Pass beschreibt darin einen Axtangriff von «Bauern in zerlumpten Kleidern» aus dem Frühjahr 2000, als Exdiktator Robert Mugabe seine umstrittene Landreform umzusetzen begann. In der Folge sei ein Drittel seiner Farm von «regierungstreuen Kleinbauern» besetzt worden.

Die Familie von Pezold entstammt dem habsburgischen Landadel. Das Schloss Gusterheim im österreichischen Pöls gilt als Familiensitz. Ende der achtziger Jahre kaufte die wohlhabende Familie das «Forrester Estate», ein riesiges Besitztum in Simbabwe. Der 1972 in Wien geborene Heinrich von Pezold übernahm die Farm 1998. Auf den 78 000 Hektaren umfassenden Ländereien seiner Familie und der von ihr kontrollierten Unternehmen befinden sich Wälder, Stauseen und Plantagen. Der Jahresbericht 2017 des in Simbabwe domizilierten Unternehmens Border Timbers Limited (BTL) weist ihn als dessen stellvertretenden Vorsitzenden sowie Mitglied des Verwaltungsrats der Rift Valley Corporation (RVC) aus. Beide Firmen betreiben im grossen Stil Agrarhandel – etwa mit Produkten von Simbabwes grösster Tabakplantage. Die BTL ist eine Tochtergesellschaft der RVC und steht im Zentrum einer brisanten Rechtsstreitigkeit.

Verbindungen in die Kolonialzeit

Der Streit dreht sich um die Frage, ob alleine die Familie von Pezold Anspruch auf diese Ländereien hat. Teile dieser Ländereien in der Region Chimanimani waren Ende des 19. Jahrhunderts von der British South African Company (BSA) kolonialisiert worden. Der britische Kolonialpolitiker Cecil Rhodes hatte die BSA 1889 gegründet, um die Wirtschaftsinteressen der britischen Krone in Afrika durchzusetzen. Im Zuge der Kolonialisierung wurden indigene Gemeinschaften aus den fruchtbarsten Regionen vertrieben. Als sie nach der Unabhängigkeit Simbabwes 1980 auf ihr Land zurückkehren wollten, befand sich dieses in Besitz der BTL, heisst es in einer eben veröffentlichten Studie der NGO Corporate Europe Observatory (CEO), die den vorliegenden Rechtsstreit analysiert hat.

Trotz dieser Verbindungen weist die Familie von Pezold jeden Bezug zur Kolonialisierung von sich. Sie hätten im unabhängigen Simbabwe investiert, nicht in Rhodesien, sagt Heinrich von Pezold der WOZ. Von historischen Ansprüchen der indigenen Gemeinschaften will der weisse Grossgrundbesitzer laut der CEO-Studie nichts wissen. So gab es einen Vorschlag, den indigenen Gemeinschaften Teile des betroffenen Landes zugänglich zu machen. Dieses Joint Forest Management sah vor, dass die Familie gewisse Rechte für den Holzabbau hätte behalten können, einen Teil der Einnahmen jedoch an die lokalen Gemeinschaften hätte abtreten müssen. Von Pezold lehnte dies ab. Damit konfrontiert, sagt er: «Wir haben in Privatland investiert, auf dem zu diesem Zeitpunkt niemand gelebt hat.» Deshalb sei es vielmehr so, dass er und seine Familie ihre Eigentumsrechte durch die Landreformen der Regierung Mugabe verletzt sähen.

Rob Sacco von der NGO Nyahode Union Learning Centre (NUCL) koordiniert seit über zwei Jahrzehnten den lokalen Widerstand der indigenen Gemeinschaften und widerspricht den Darstellungen von Pezolds. «Nur weil die von Pezolds erst 1988 nach Simbabwe kamen, heisst das nicht, dass sie nichts mit der Kolonialisierung zu tun haben», sagt er gegenüber der WOZ. «Wenn jemand ein hochentwickeltes, aristokratisches Landgut übernimmt, das während der Kolonialzeit durch die Ausbeutung eines enteigneten Volkes entstanden ist, kann diese Partei keine koloniale Unschuld beanspruchen.»

«Wir werden keinen Zentimeter nachgeben», sagte von Pezold laut Sacco bei einem Treffen. Und gemäss CEO-Studie sollen im Januar 2013 über hundert Häuser der indigenen Gaydadza-Gemeinschaft mutmasslich von BTL-Sicherheitskräften niedergebrannt worden sein. «Ich rannte mit meiner Frau und unseren Kindern in den Wald, von wo aus wir zusehen mussten, wie unser Haus abbrannte», wird ein hochrangiges Gemeinschaftsmitglied zitiert. Heinrich von Pezold bestreitet diese Darstellung vehement und sagt, dass die Räumung von einem Gericht verfügt und durchgesetzt worden sei.

Im Namen der Konzerne

Mit Verweis auf die bilateralen Investitionsabkommen von Simbabwe mit der Schweiz und Deutschland reichten die BTL und die Familie von Pezold 2010 Klage beim Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) ein. Grundlage dafür ist die ICSID-Konvention, die von 163 Staaten gezeichnet wurde. Internationale Konzerne erhalten dadurch die Möglichkeit, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen, wenn diese in ihren Augen gegen ein Investitionsabkommen verstossen haben. Diese Schiedsgerichte stehen seit langem unter kritischer Beobachtung und werden beschuldigt, besonders investorenfreundliche Beschlüsse zu fällen (siehe WOZ Nr. 32/2017 ).

Auch im Fall von BTL und von Pezold gegen Simbabwe entschied das internationale Schiedsgericht zugunsten der Familie des Grossgrundbesitzers und der von ihr kontrollierten Unternehmen. Die vom Schiedsgericht verhängte Strafe wurde im November 2018 rechtskräftig. Es verurteilte Simbabwe zur Rückgabe der enteigneten Ländereien sowie zu einer zusätzlichen Entschädigungszahlung von über 65 Millionen US-Dollar an die KlägerInnen. Sollte die Rückübertragung des Eigentums nicht im verfügten Zeitrahmen erfolgen, steigt die Kompensationssumme gar auf über 196 Millionen Dollar an. Heinrich von Pezold bekommt zusätzlich eine Entschädigung in der Höhe von einer Million Dollar wegen «moralischer Schädigung». Die verfügte Rückgabe der Ländereien «bedroht über 6000 indigene Familien in ihrer Lebensgrundlage und schafft für diese ein Klima der Angst», heisst es in der CEO-Studie.

Schutz weisser Kapitalinteressen

«Das Urteil bedeutet die Fortsetzung kolonialen Unrechts durch gegenwärtiges internationales Wirtschaftsrecht», sagt Christian Schliemann vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) gegenüber der WOZ. Schliemann und das ECCHR haben gemeinsam mit den indigenen Gemeinschaften versucht, deren Ansprüche vor dem internationalen Schiedsgericht geltend zu machen. Doch obwohl sie dem Gericht ihre kollektive Geschichte auf dem betroffenen Territorium sowie ihre Diskriminierung und Vertreibung darlegten, hat dieses die indigenen Gemeinschaften nicht als Drittpartei anerkannt. «Dadurch hat das Gericht menschenrechtliche Ansprüche der betroffenen Gemeinschaften ausgeklammert. Das hat für diese auch Konsequenzen in der nationalen Rechtsordnung, weil in der Folge die simbabwischen Gerichte argumentieren können, dass sie auf Ansprüche der Gemeinschaften aufgrund des internationalen Urteils nicht mehr eingehen können. BTL hat dieses Argument vor nationalen Gerichten bereits vorgebracht», sagt Schliemann.

Das ICSID argumentierte, dass sich die konkret vorgebrachten menschenrechtlichen Belange ausserhalb des Anwendungsbereichs der Streitigkeit befänden. Die Familie von Pezold hingegen gilt für das Schiedsgericht in seiner Begründung sehr wohl als Opfer einer Menschenrechtsverletzung: Im Gegensatz zur landlosen indigenen Bevölkerung sei den weissen Grossgrundbesitzern und ihren Firmen durch die Landreform rassistisches Unrecht widerfahren. Letztlich gewichtete das Gericht den Investitionsschutz höher als fundamentale Rechte indigener Gemeinschaften.

Hier schliesst sich der Bogen zur Kolonialzeit, den von Pezold ausblendet: «Im Namen weisser europäischer Kapitalinteressen werden indigene Lebensgemeinschaften zerstört – abgesichert und durchgesetzt von Institutionen wie dem ICSID», hält die CEO-Studie fest.

Mitarbeit: Jan Jirát.

Investitionsstreitigkeiten : Roter Teppich für Konzerne

Diese Woche publizierten das Corporate Europe Observatory und weitere NGOs eine Studie über Konzernklagen. Diese analysiert zehn «bemerkenswerte, aber repräsentative» internationale Investitionsstreitigkeiten.

Die Basis für diese Streitigkeiten zwischen privaten Investoren und Staaten sind die über 2650 internationalen Handels- und Investitionsabkommen zwischen verschiedenen Staaten. Entscheidungen von Regierungen, die ausländische Investitionen mutmasslich beeinträchtigen, können demnach vor internationalen Schiedsgerichten angefochten werden. Die Studie bezeichnet diese als juristischen roten Teppich, um Investitionen mit allen Mitteln zu schützen.

Die Verhandlungen sind oft geheim, und auf dem RichterInnenstuhl sitzen private AnwältInnen von internationalen Kanzleien. Diese vertreten in anderen Fällen auch Staaten oder Konzerne und haben einen monetären Anreiz, zugunsten der Investoren zu entscheiden: Sie werden per Fall bezahlt – in einem System, in dem nur die Investoren eine Klage einreichen können. Investorenfreundliche Beschlüsse führen deshalb zu mehr Klagen und somit zu mehr Einkommen für die beteiligten Kanzleien. Laut Studie gingen 61 Prozent der Fälle zugunsten der Investoren aus; 94,5 Prozent der schiedsgerichtlich verfügten Zahlungen flossen an Unternehmen mit über einer Milliarde US-Dollar Jahresumsatz oder an Einzelpersonen mit über hundert Millionen Dollar Nettovermögen.

Der Fall von Pezold bestätigt, was den internationalen Schiedsgerichten schon lange vorgeworfen wird: dass sie wenig oder keine Rücksicht auf fundamentale Menschenrechte nehmen und koloniale Ungerechtigkeiten zementieren.

Lorenz Naegeli