Film «Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte»: Dürrenmatt (allzu) persönlich
Eine Liebesgeschichte also. Ist es das, was vom wohl grössten Schweizer Dramatiker des 20. Jahrhunderts bleiben soll? Und: Wessen Liebe zu Friedrich Dürrenmatt wird da verhandelt – die der Regisseurin Sabine Gisiger, die als kleines Mädchen am elterlichen Tisch den dicken Fritz hat Fleischberge verschlingen sehen? Die Liebe Dürrenmatts zu seiner langjährigen Frau Lotti? Oder die Liebe zu seiner zweiten Frau Charlotte Kerr, von der ein Grossteil des Filmmaterials aus «Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte» stammt?
Nun, wenn es nach Dürrenmatts Kindern Peter und Ruth geht, die erstmals vor der Kamera über ihren Vater sprechen, dann ist der Fall klar: Fritz und Lotti lebten eine geradezu symbiotische Beziehung. Sie entwickelten gemeinsam die Figuren in Dürrenmatts Werken, hausten zusammen in dieser Bühnenwelt, aus der ihre Kinder ewig Ausgeschlossene blieben. «Wenn ich mit Mutter in der Küche redete und Vater den Kopf reinstreckte, um etwas über eine seiner Figuren zu sagen, dann wandte sie augenblicklich ihre ganze Aufmerksamkeit ihm zu», erinnert sich Ruth. Und wenn die Mutter in eine ihrer Depressionen versank, glitt Dürrenmatt mit ihr ins Bodenlose. Im O-Ton, wo Dürrenmatt in seinem bedächtigen Emmentaler Dialekt über Lottis plötzlichen Tod spricht, klingt nichts dergleichen an. Vielleicht auch, weil er darüber mit seiner zweiten Frau Charlotte spricht, die ihn stundenlang mit Kamera und Mikrofon durch sein Haus ausserhalb von Neuenburg begleitete. Und so präsentiert uns Gisiger Dürrenmatt nicht nur beim Malen und Schreiben. Wir sehen D. beim Schmusen mit seinem Kakadu, D. beim Strampeln auf dem Hometrainer oder D., wie er, schon ziemlich besoffen, am Tisch mit der Kamera flirtet.
So genau hätten wir das eigentlich gar nicht wissen wollen. Es sind nicht Intimitäten, die uns den Dramatiker oder Intellektuellen näherbringen oder jüngere Generationen neugierig machen auf sein Werk – auf das Absurde, das Groteske, das Abgründige, das uns im «Tunnel», bei der «Panne» oder unter den «Physikern» begegnen kann. Es ist schlicht und einfach – banal.
Ab 15. Oktober 2015 im Kino.
Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte. Regie: Sabine Gisiger. Schweiz 2015