Editorial: Musikströme rund um den Globus

Nr. 45 –

  • Air-King Midget Radio, 1933. Im Hintergrund: Comedian Harmonists. Montage: WOZ
  • Akkord Peggie, 1957. Im Hintergrund: Louis Armstrong. Montage: WOZ, Foto: Hihiman (CC BY-SA 2.0)
  • Zenith Deluxe Royal 500N, Circa 1965. Montage: WOZ, Foto: Joe Haupt (CC BY-SA 2.0)
  • Weltron 2001 8 Track Tape Player, 1970. Montage: WOZ, Foto: Nattle, Dreamstime
  • Sony XDR-S16DBP, 2010. Montage: WOZ

George Maat will zu den Ersten gehört haben. Seit 1998 sendet sein A Net Radio via Stream vom Südpol aus in die ganze Welt. Auf der Website des Senders schildert Maat seine abenteuerliche Geschichte. Wie er in Kalifornien aufwuchs und sich schon als Jugendlicher für Sender begeisterte, die ununterbrochen Musik spielten. Das Motto von A Net Radio lautet denn auch: «Keine Werbung. Keine Gespräche. Niemals.» Die grenzenlosen Möglichkeiten des Internets vorausahnend, zog Maat an den Südpol und begründete dort eines der ersten Internetradios. Aus dem ewigen Eis sendet er seither seine Musikauswahl – zu hören sind meist simple akustische Gitarrensongs. Via Livekamera lassen sich dazu die letzten Bewegungen am Südpol verfolgen.

Ob die Geschichte von Maat wahr ist oder doch eher eine perfekte Persiflage – sie erzählt von den grossen Versprechen, die das Medium Radio dank digitalem Wandel erfüllen könnte. Alle dürfen Sender und Empfänger sein. Und endlich ist wieder gute Musik zu hören. Das in Vergessenheit geratene Medium Radio feiert derzeit ein Comeback. Popfans folgen den Sendern aus aller Welt, um unbekannte Klänge
zu entdecken. Die Musik am Radio steht deshalb im Zentrum der diesjährigen WOZ-Musikbeilage.

Ist die neue Unübersichtlichkeit Fluch oder Segen? Klaus Walter erinnert sich an die Zeiten, als die Radio-DJs – vornehmlich Herren – noch als Gatekeeper des guten Geschmacks wirkten. Diesen Anspruch wünscht sich Walter nicht zurück. Er kritisiert aber, dass die meisten RadiomacherInnen heute zu prekären Löhnen für Nischensender arbeiten müssen. Zu einer optimistischeren Einschätzung gelangt Dominik Dusek vom Radio Stadtfilter aus Winterthur: Wer nicht länger darauf wartet, dass Popmusik den Soundtrack zur Revolte bringen wird, lässt sich vielleicht schon vorher von kleinen Erschütterungen bewegen.

Neben Antworten auf die Frage, wie in der Schweiz die Radiostationen ihre Musik auswählen, liefern wir Tipps zu unseren Lieblingssendern aus dem Ausland: aus London, Hamburg und Wien und von einem Piratenschiff in der Vergangenheit. Anja Bengelstorff hat für ihre Reportage einen Sender in Nairobi besucht: Ghetto Radio richtet sich auf die Armenviertel in der kenianischen Hauptstadt aus und gewinnt auch im Ausland immer mehr Fans.

Für die Bilder zu dieser Beilage hat das WOZ-Departement für Ästhetik Radioapparate aus verschiedenen Jahrzehnten in Szene gesetzt. Die Geräte von heute sehen jenen von vorgestern zum Verwechseln ähnlich. Die Geschichte des Radios scheint aufs Neue zu beginnen.

PS: Wenn die Frage nach einem Radiosender vom Südpol offenbleibt – einen in Grönland 
gibt es auf jeden Fall: Auch Kalaallit Nunaata Radioa ist via Stream zu empfangen.