Wichtig zu wissen: Das Volksfest

Nr. 50 –

Ruedi Widmer berichtet live vom gigantischen Bundesratsfest

Bern – Überschwängliche Stimmung heute zur Bundesratswahl. Bereits beim Bahnhof, aus dem Tausendschaften Bundesrätinnenfans und Bundesratswahlfestfreudige strömen, stehen die ersten Stände; die Bundesratsweggen und Bundesratsmandli mit Rosinenaugen gehen wie warme Weggli weg. Es ist kein Vorwärtskommen. Alle wollen sie, schon Stunden zu früh, zur Grossbühne auf dem Bundesplatz, wo die Gewählten nach der Wahl im Bundeshaus zu lauter Technomusik, viel Geblitze und Rauch den Schwur zum Volk machen und den legendären Schluck K.-o.-Tropfen trinken werden.

Auf dem Waisenhausplatz ist Chilbi. Autoscooter, Karussells, das Riesenrad. Die Gondeln heissen nach den berühmtesten Bundesräten. Wir steigen in die Gondel «Willy Ritschard» und lassen uns in den kalten Dezemberhimmel tragen. Das Bundeshaus ist rot beleuchtet, dort geschieht heute gar Wundervolles. Rot gekleidete Schutzklausel bewachen das hohe Haus.

Nach der Fahrt genehmigen wir uns einen aufblasbaren Widmerschlumpf für die Kinder zu Hause und einen Orangenputsch.

In den mit Schweizerfähnchen und Kerzchen geschmückten Schaufenstern stehen überall Holzfiguren im Miniaturbauernstall. In einer Futterkrippe liegt der neu gewählte Bundesrat, flankiert von Christoph Blocher und seiner Frau. Dahinter auf allen vieren die Nationalräte Germann und Brand. Darum herum weiden die Schäfchen der Partei. Aus dem Morgenland kommen nur drei Flüchtlinge, die sogar Geschenke für den kleinen Bundesrat bringen.

Auch der Franz Carl Weber in der Marktgasse steht ganz im Zeichen der Wahl. Johann Schneider-Ammann als Tyrannosaurus jsa und Alain Berset als Minion lassen Kinderaugen leuchten. In einem Musikhaus hatten wir schon am Vortag den bleichweissen Flügel «Simonetta Sommaruga» gesehen, sündhaft teuer und nur mit zehn Flüchtlingen zusammen erhältlich.

Die «Nacht der langen Messer» am Vorabend haben wir in der Postfinance-Arena verbracht. Üppige Emmentalerinnen servierten Humpen um Humpen, der Blick auf die Bühne war getrübt durch den Rauch der Stumpen.

Um 22 Uhr die erste Vorführung. Der Messerdiener brachte zwei etwa fünf Meter lange Messer. Die Leute johlten. Zuerst durfte die CVP das Messer schwenken. Parteipräsident Darbellay traf dabei aus Versehen SP-Präsident Levrat in den Arm, sodass dieser den Geheimplan zuerst nicht präsentieren konnte. Er wurde ambulant behandelt. Darbellay entschuldigte sich aber. Um viertel vor elf bestieg Levrat wieder die Bühne und startete eine Liveshow mit Tänzerinnen in T-Shirts mit der Aufschrift «59». Es wurden etwa hundert Strategien heruntergerappt. Die Aufgabe des betrunkenen Publikums war es zu deuten, welche die richtige ist. Uns war das zu laut, und wir gingen ins Hotel.

Auch im Hotelzimmer war alles liebevoll geschmückt. Seife mit Kurt-Furgler-Konterfei, das Doppelbett im Schweizerkreuzanzug, Negerküsse in Blocherlippenform und über dem Bett ein grosses, durchaus erotisierendes Ölbild mit einem leicht bekleideten Hans-Rudolf Merz auf einem Sofa. Ums ganze Bett herum: Lebkuchen und Bündnerfleischchips.

Geweckt wurden wir um 8 Uhr durch die Patrouille Suisse, die über der Stadt ihre Loopings drehte. Ueli Maurer soll angeblich mit nacktem Oberkörper im vordersten Tiger-Zweisitzer gesessen haben. In Payerne stieg er dann wie ein Held aus. Nachher ging er allein in den Wald. Bundesratswahlen interessieren ihn nur mässig.

Ruedi Widmer ist Berater für Cartooning und arbeitete nie für die Waffenindustrie.