Scheinehen: «Man muss zusammen funktionieren – weil so viel auf dem Spiel steht»
Die Ehefreiheit zählt zu den Grundrechten. Trotzdem verweigern Behörden eine Heirat mit AusländerInnen, wenn sie eine Scheinehe vermuten, die die Ausschaffung verhindern soll. Aus steuerlichen Gründen zu heiraten, ist dagegen legal. Zwei Protokolle von tatsächlichen Scheinehen. Und das Protokoll einer Liebe, die durch ein Scheineheverfahren musste.
«Die Ehe hat mich unsere Freundschaft gekostet»
Urs * (45) hat in den neunziger Jahren eine Scheinehe geführt, musste aber nie durch ein Verfahren, ist heute geschieden und neu verheiratet, Vater von zwei Kindern.
«Wir waren zusammen auf der Kunsthochschule. Aus hundert Bewerbungen haben sie für unsere Klasse acht Leute ausgewählt, darunter auch Elina. Sie war damals schon verheiratet, ein paar Jahre vorher war sie mit ihrem türkischen Mann in die Schweiz gekommen. Der hatte eine Aufenthaltsgenehmigung, sie aber nicht. Als Elina sich scheiden liess, wollte das Migrationsamt sie deshalb ausweisen. Offiziell bestand ja kein Grund mehr für ihren Aufenthalt in der Schweiz, denn der Grund war ihre Ehe gewesen. Wir, unsere ganze Klasse, sind damals aus allen Wolken gefallen, der Direktor hat sogar einen Brief ans Migrationsamt geschrieben, aber dort erkannte man das Studium nicht als Aufenthaltsgrund an. Also ging ich mit Elina zu einem Anwalt. Der meinte, die einzige Chance für sie bestehe darin, einen Schweizer zu heiraten. Wir haben in der Klasse darüber gesprochen, aber es war ziemlich schnell klar, dass ich das machen würde: Wir waren damals gut befreundet und haben zufällig im gleichen Haus gewohnt, hatten also die gleiche Meldeadresse. Aber wir waren kein Liebespaar. Ich war zu dem Zeitpunkt schon mit einer Frau zusammen – auch einer Ausländerin, allerdings aus Italien. Sie hatte damals keine Einwände, sie fand es wichtiger, aus gesellschaftspolitischen Gründen zu heiraten. Und für mich hatte das keinerlei emotionalen Wert. Im Gegenteil: Ich hätte nie geheiratet, für mich war das damals mit Anfang zwanzig eine bürgerliche Institution, die ich verachtete.
Inszenierung vor dem Rathaus
Also sind wir aufs Amt und haben alle Papiere besorgt. Das war zwar mühsam, aber nicht so schwierig. Es war Anfang der Neunziger, damals war man noch nicht so misstrauisch. Ausserdem hätten wir ja tatsächlich ein Liebespaar sein können: Wir waren ungefähr gleich alt, in derselben Klasse – und ein Freund von mir hat sich tatsächlich ziemlich unsterblich in Elina verliebt. Zur Trauung luden wir den ganzen Freundeskreis ein, es gab eine richtige Inszenierung vor dem Rathaus: alle in Festkleidung, mit Trauzeugen, Fotos und allem. Wir hatten viel Spass, dem Staat ein Schnippchen zu schlagen, und waren überzeugt, mit dem, was sich anfühlte wie ein Streich, das Richtige zu tun. Nur meine Eltern waren nicht dabei. Sie fanden es gar nicht lustig, auch wenn sie es im Lauf der Zeit akzeptiert haben. Vor dem Standesbeamten kam es dann zu einer Situation, in der ich kurz dachte, alles fliegt auf. Elina hat beim Unterschreiben nämlich gesagt: ‹Ich muss die Unterschrift noch üben.› Sie dachte, man müsse in der zweiten Ehe auch eine neue Unterschrift haben. Als der Beamte sie fragte, ob sie sich das denn genau überlegt habe mit der Ehe, hatte sie sich aber schon wieder gefangen und alles gut zu Ende gespielt. Wir hatten alle Freude an der Inszenierung.
Schlussendlich hat uns die Scheinehe die Freundschaft gekostet, aber erst mal veränderte sich unser Alltag nach der Hochzeit nicht gross. Ich pendelte weiter für meine Fernbeziehung nach Rom, wir wohnten anfangs noch im gleichen Haus, später dann sogar an verschiedenen Orten. Manchmal stellte mich Elina als ihren Mann vor, dann haben wir gelacht und es offengelegt. Mich haben viele an der Schule für diesen Schritt gelobt und bewundert, dabei war ich damals nicht besonders mutig – eher naiv. Wir hatten zwar einen Ehevertrag mit Gütertrennung geschlossen, aber ich hatte mir nie überlegt, was das alles nach sich ziehen kann. Deshalb hatte ich damals vermutlich auch keine Angst vor der Verantwortung. Heute weiss ich, dass das recht blauäugig war von mir, denn aus so einem Ehevertrag kann man nicht so leicht rauskommen. Über Jahre muss man bei allen Behördengängen und Umzügen vorher bedenken, welche Folgen es hat, dass man verheiratet ist. Und ich hatte Elina versprochen, dass wir so lange verheiratet bleiben, bis sie sich einbürgern lassen kann.
Untergrundrauschen
Für Elina war es schwierig, dass ich so viel Lob bekommen habe für die Scheinehe. Das implizierte ja, dass ich mich aufgeopfert hatte für sie. Und das war für sie als Türkin schwer mit ihrem Stolz zu vereinbaren. Bei Konflikten kam dann oft der Vorwurf, dass sie ja gar nicht unbelastet reagieren und offen sprechen könne, weil sie in meiner Schuld stehe. Mit der Zeit schlich sich das so als Untergrundrauschen zwischen uns ein. Dabei war es nie so, dass sie mein Vertrauen missbrauchte oder ich das Gefühl hatte, mich in ihr getäuscht zu haben. Ich denke, das ist sehr wichtig für so eine Scheinehe, dass man sich gut kennt. Und noch mehr: dass man kein Liebespaar ist. Es ist schon so kompliziert genug. Elina ist eine attraktive Frau, aber ich habe sie nie nackt gesehen. Ich habe mir vorher nie überlegt, was das für ein Risiko sein kann, wenn man sich plötzlich ineinander verliebt. Ist mir aber zum Glück nicht passiert.
Kurz vor der Einbürgerung hatten sich dann Beamte unangemeldet bei den Nachbarn nach Elinas Ehemann erkundigt und gefragt, ob sie ihn schon mal in der Waschküche gesehen hätten. Natürlich wussten die von niemandem, da wohnten wir ja schon lange nicht mehr zusammen. Also wurde Elina aufs Amt zitiert. Sie erzählte dort, dass ich als Künstler eben viel unterwegs sei. Ich konnte nicht fassen, dass die Schweizer Behörden tatsächlich so etwas machen. Damit das Ganze nicht kurz vor dem Ziel noch schiefgeht, zog ich dann für ein paar Wochen mit all meinen Sachen bei ihr ein – in der Hoffnung, dass sie nochmals kommen und nach zwei Zahnbürsten suchen. Sie tauchten dann aber nicht wieder auf, Elina wurde eingebürgert, und ein Jahr darauf liessen wir uns scheiden.
Ich würde es wieder tun, wenn es nötig wäre, denn ich betrachte das Mittel der Scheinehe nicht als Straftat, sondern als zivilen Ungehorsam gegen eine Entscheidung, die viel Leid produziert. Als eine Form des Widerstands gegen das System mit den Mitteln des Systems. Allerdings müsste sehr klar sein, dass die Ehe nur auf dem Papier besteht. In meinem Freundeskreis erlebte ich, wie kompliziert es werden kann, wenn die Grenzen zwischen Zweckehe und Erwartungen nicht ganz klar sind. Natürlich klingt das erst mal paradox, weil man aus Liebe zu sehr vielem bereit ist. Und man selbstverständlich eine Ehe eingeht, um den Partner nicht zu verlieren. Aber wo fängt eine Scheinehe an, und wo hört sie auf? Es ist schwierig, wenn sich die Beziehung nicht auf der gleichen Ebene bewegt, weil der eine abhängig ist und sich der andere nie ganz sicher sein kann über die Motive für die Hochzeit. Die Ehe ist emotional so aufgeladen, wenn plötzlich eine ganze Existenz an ihr hängt.»
«Händchenhalten mit meinem Freund ist nicht drin»
Mara (29) hat einen Kurden geheiratet, um ihn vor der Ausschaffung zu bewahren.
«Mein Mann Aryan ist Kurde und stammt aus der Osttürkei. Er ist in der Schweiz zwar als Flüchtling anerkannt, bekommt aber kein Asyl, weil er bei einer politischen Partei aktiv war, die in der Türkei als terroristische Vereinigung gilt. Dort musste er untertauchen, weil er von Militär und Polizei gesucht wird. Die Türkei hat sogar ein Auslieferungsbegehren gestellt, die Verfolgung besteht also. Zu Hause erwarten ihn Folter und mindestens dreissig Jahre Gefängnis. Vor vier Jahren haben wir geheiratet.
Wir lernten uns bei Freunden kennen, es gibt da eine kurdische Connection hier, mehrere normale Ehen. Mir war es wichtig, Aryans Geschichte, seine familiären Verhältnisse und den politischen Hintergrund für seine Flucht genau zu kennen. Auf Deutsch und mithilfe von Leuten, die übersetzt haben, haben wir uns lange unterhalten. Ich wusste also ungefähr, welchen Stress das mit sich bringt: dass es emotional schwierig werden kann bei Kontrollen zum Beispiel. Und dass ich mich verpflichte, finanziell für ihn aufzukommen, dass er also keine Sozialhilfe bekommt.
Bevor der Antrag bewilligt wurde, mussten wir dann noch getrennt zu einem Interview. Ich habe das als extreme Einmischung in die Privatsphäre empfunden, aber wir waren vorbereitet, was Familie, Hobbys, Lieblingsessen und so weiter angeht.
Alles Bürokratische ist schwierig
Die Hochzeit war dann recht lustig. Wir gingen mit ungefähr dreissig Leuten chic aufs Standesamt und danach noch etwas Feines essen in der Altstadt. In den Monaten nach der Hochzeit bot Aryan mir an, mich finanziell zu unterstützen, aber das lehnte ich ab. Ich merkte, dass es schwierig für ihn ist, so stark auf jemanden angewiesen zu sein, mit dem man nicht ein gemeinsames Leben teilt. Aber für mich war es wichtig, nichts zu vermischen. Diese Ehe war eine politische Entscheidung. Das war immer klar für beide. Ich lehne die Institution Ehe ab und würde nie heiraten. Trotzdem war er enttäuscht, als ich auf Abstand ging. Alle paar Wochen haben wir Kontakt. Oft geht es darum, bei Ämtern anzurufen.
Für meinen Freund war es nicht so einfach, aber okay. Wir können uns nicht als Paar für eine Wohnung bewerben, weil ich ja mit jemand anderem verheiratet bin. Wir sind auch vorsichtig mit Händchenhalten in der Öffentlichkeit. Oft zögere ich, wenn ich meinen Zivilstand angeben muss. Alles Bürokratische ist eh schwierig. Und politisch bin ich nicht so aktiv, wie ich es gerne wäre. Wenn ich überwacht oder verhaftet würde, wäre das auch gefährlich für ihn.
Am stressigsten finde ich die persönliche Abhängigkeit. Man muss einfach zusammen funktionieren, weil man viel mehr Verantwortung hat, weil so viel auf dem Spiel steht. Bei Macken kannst du dich nicht einfach trennen. Deshalb finde ich es wichtig, dass man sich gut kennt und ein gemeinsames Umfeld hat.»
«Ich kann jedem Paar ein Scheineheverfahren empfehlen»
Sarina (41) hat sich in einen Asylbewerber verliebt und ihn geheiratet, musste durch ein Scheineheverfahren und ist heute geschieden.
«Vor sieben Jahren lernte ich Ben kennen. Er hatte keine Papiere und war damals gerade im Asylverfahren. Unter normalen Umständen hätten wir wohl zuerst eine lockere Paarbeziehung geführt, um uns besser kennenzulernen. Kurz darauf kam aber der ablehnende Bescheid, weil er illegal aus einem Drittstaat eingereist war, der als sicher gilt. Da war klar: Wir müssen uns jetzt für die Beziehung entscheiden, um zu sehen, ob es überhaupt etwas werden kann. Denn wie sich ein gemeinsamer Alltag anfühlt, können wir nur herausfinden, wenn sein Status legalisiert, er also nicht abgeschoben wird. Wer den Vorschlag gemacht hat? Das fragen einen dann auch die Behörden. Uns war einfach klar, dass zu heiraten die einzige Option ist, deshalb haben wir darüber auch nie diskutiert.
Als wir uns zum Eheverfahren anmeldeten, wurde es mühsam. Das Amt brauchte eine Ledigkeitsbescheinigung von ihm, eine Geburtsurkunde, eine Wohnsitzbescheinigung. Dabei war klar, dass Ben all diese Dokumente nicht beschaffen konnte. Wäre er in seine Heimat zurückgekehrt, hätte man dort ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet, weil er illegal emigriert ist, und er hätte für Jahre nicht mehr in die Schweiz einreisen dürfen. Nach sechs Monaten lud man uns dann aufs Zivilstandsamt zu einem Gespräch ein. Damals war gerade eingeführt worden, dass ein abgelehnter Asylantrag als Indiz für eine Scheinehe gilt. Es gibt da noch weitere Kriterien: Wenn der eine Partner mehr als fünfzehn Jahre älter ist zum Beispiel, man sich noch nicht so lange kennt, nicht die gleiche Sprache spricht oder wenn Geld geflossen ist. Ich war nur zwölf Jahre älter, wir konnten uns auf Spanisch verständigen, haben aber möglichst viel Deutsch gesprochen, und natürlich verdiente ich in der Zeit das Geld für uns.
Ein Paar tut alles gemeinsam
Jedenfalls mussten wir uns plötzlich darauf einstellen, beweisen zu müssen, dass wir ein Paar sind. Was umso absurder war, weil wir ja tatsächlich ein Paar waren. Zum Beispiel überlegten wir uns gemeinsame Hobbys, obwohl wir meist einfach zusammen rumhingen. Aber wenn es düster wird, wird es ja oft auch lustig. Und so begannen wir, viel über unsere Beziehung zu reden. Im ersten Gespräch stellten sie uns dann recht harmlose Fragen: Auf welcher Seite vom Bett schlafen Sie? (Mal oben, mal unten.) Glauben Sie zu wissen, wer er ist? (Ich weiss ja selbst nicht mal, wer ich bin.) Welche Farbe hat seine Zahnbürste? (Die wechselt öfter.) Welche gemeinsamen Interessen und Freunde haben Sie? (Was für eine bürgerliche Vorstellung von Beziehung ist das, dass man als Paar gemeinsam auswärts essen geht – und das noch mit der eigenen Frau?) Das Beziehungsmodell, das sie mit diesen Fragen implizieren, das Bild, wie eine Ehe zu sein hat, hätte auch auf meine vorherigen Beziehungen nicht zugetroffen. Am seltsamsten aber ist, dass sie die Fragen stellen wie Roboter, sie haben die schon im System, diskutieren auch die Antworten nicht, sondern tippen sie nur ab.
Handschellen für Heiratswillige
Ziel der Befragung ist natürlich herauszufinden, ob man wirklich eine Beziehung hat. Und ich habe ihnen offen gesagt, dass wir unter anderen Umständen nicht heiraten würden. Beim zweiten Interview hatten sie dann die Strategie gewechselt und versucht, mich zu überzeugen, dass er mich nur ausnutzt. Neun Monate nach der ersten Anmeldung für das Eheverfahren kam ein Brief, dass sich der Verdacht auf Scheinehe nicht erhärtet habe und wir am Schalter vorbeikommen sollten, um einen Hochzeitstermin zu machen. Dort baten sie uns, kurz im Wartezimmer zu warten, bis sie die letzten Formalitäten geregelt hätten. Uns gegenüber sassen zwei Männer, und ich weiss noch, dass ich überlegte, ob die beiden sich für eine Partnerschaft eintragen lassen wollen. Dabei waren es Zivilpolizisten, die uns belauschten – und nach zehn Minuten zückten sie Handschellen, legten sie meinem Freund an und führten ihn ab. Mich belogen sie, sie nähmen ihn nur kurz mit, um die Situation zu deeskalieren. Ich war fassungslos. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass das Standesamt uns in einen solchen Hinterhalt locken würde.
Ich wusste nicht, wohin sie ihn brachten. Ich rief auf allen Polizeiposten der Stadt an. Die Antwort war immer dieselbe: Kein Recht auf Auskunft, wenn man nicht verheiratet ist. Von meinem Anwalt erfuhr ich dann, dass sie ihn innerhalb von 24 Stunden ausschaffen können. An einem Morgen kam tatsächlich eine Wache und hielt ihm ein Dokument zum Unterschreiben hin und sprach von ‹spazieren gehen›. Aber ich habe ihm eingeschärft, nichts zu unterschreiben, und er ahnte den Hinterhalt, kroch unters Bett, band sich dort fest und wehrte sich dagegen, mitzugehen. Fünf Tage war er dort, länger dürfen sie einen ohne Verfahren nicht festhalten. Als ich ihn abholte, war er vollkommen verstört. Wir meldeten uns für zehn Tage später zur Hochzeit an und baten viele Freunde zu kommen, damit sie ihn nicht wieder verhaften würden. Aber das machen sie im Hochzeitssaal eher ungern. Dort erhalten sie den Schein aufrecht.
Lustigerweise hatten wir in dieser Zeit nie Streit, obschon sie sehr stressig war. Und ja, das Verfahren hat uns geschadet: Wir konnten nicht einfach ins Café oder spazieren gehen. Und mit der Zeit entwickelst du eine Paranoia: Hinter jedem Mann mittleren Alters auf der Strasse vermutest du einen Zivilpolizisten. Noch zwei Jahre danach traust du dich nicht, die Tür aufzumachen, wenn es klingelt. Unserer Beziehung aber hat das nicht geschadet. Im Gegenteil: Diese Gefahr von aussen hat alles viel romantischer gemacht, so ein Drama bindet enorm. Man fühlt sich ein wenig wie Romeo und Julia. Ich empfehle jedem Paar ein Scheineheverfahren. Wir haben auch offen über die Abhängigkeiten gestritten und gelacht. Ich habe zu ihm gesagt: Du willst doch nur die Papiere. Und er hat zu mir gesagt: Ich bin doch nur ein weiteres Projekt von dir. Wir haben das Projekt dann ‹Papiere plus› getauft: Wir heiraten für die Papiere – und wenn dann die Ehe auch noch hält, ist das toll.
Mehr als ein Stück Papier
Mittlerweile sind wir nicht mehr verheiratet. Aber nach dieser Erfahrung würde ich sogar nochmals heiraten. Ich hätte nicht gedacht, wie schön es ist zu sagen: Das ist mein Mann. So eine Ehe ist wider Erwarten doch mehr als ein Stück Papier, das hat Rückwirkungen auf die Beziehung. Die Aussicht, dass man es schaffen muss miteinander, ist für mich gar nicht mehr negativ besetzt. Das bindet auf eine ganz andere Art und Weise. Sich mal füreinander zu entscheiden – und nicht immer zu schauen, ob es nicht noch was Besseres gibt – scheint mir heutzutage fast schon antineoliberal. Ich würde aber jedem raten, sich gut auf so ein Verfahren vorzubereiten: nie alleine aufs Amt gehen, die Telefonate für sich zum Beweis aufzeichnen, bei anderen Rat holen. Und auch wer tatsächlich eine Scheinehe eingeht, sollte niemand Wildfremdes heiraten. Einfach, weil man bei diesen Interviews nicht bestehen kann, wenn man das Leben des anderen nicht kennt. Durch diese Erfahrung, die ich gemacht habe, kommen öfter Leute zu mir, um sich zu erkundigen, meistens Frauen. Natürlich liegt das zum einen daran, dass es auch mehr männliche Flüchtlinge gibt. Andererseits erlebe ich es generell in meinem Umfeld so, dass Frauen in der Einzelfallhilfe aktiver sind. Sie bringen eher mal Leute unter, springen informell ein und helfen – während Männer eher die Demos anführen.»
* Alle Namen geändert.
Die Rechtslage : Zweckehe Ja, Scheinehe Nein
Ein abgelehnter Asylantrag – und damit eine drohende Ausschaffung – gilt bereits als Indiz für eine Scheinehe, besser: Umgehungsehe. Weitere Kriterien sind: ein grosser Altersunterschied, wenn man sich noch nicht lange kennt, nicht dieselbe Sprache spricht oder Geld geflossen ist. Seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes im Jahr 2008 müssten StandesbeamtInnen nach dem Wortlaut des Gesetzes in Befragungen überprüfen, ob Indizien für eine Scheinehe vorliegen, sobald Ausländerinnen oder Ausländer an einer Heirat beteiligt sind.
Und seit Anfang 2011 darf in der Schweiz laut Gesetz nur noch heiraten, wer einen gültigen Aufenthaltsstatus nachweisen kann. Allerdings hat das Bundesgericht entschieden, dass auch ehewilligen Sans-Papiers die Eheschliessung in der Regel nicht verwehrt werden darf, falls Hinweise auf eine Umgehungsehe nicht offensichtlich sind oder keine klaren Widerrufsgründe vorliegen.
In den einzelnen Kantonen wird das unterschiedlich gehandhabt. Die kantonalen Migrationsämter haben einen gewissen Spielraum: Sie sind gar verpflichtet, eine vorübergehende Aufenthaltsbewilligung auszustellen oder eine Duldungserklärung abzugeben, wenn eine Ehevorbereitung im Gang ist, kein Verdacht auf Scheinehe besteht und die Kriterien für einen Familiennachzug nach der Heirat erfüllt sind. Das ergibt sich aus dem vom Bundesgericht bekräftigten Recht auf Ehe(schliessung). Abgelehnt wird diese, wenn der Partner oder die Partnerin ohne Papiere in nennenswertem Umfang straffällig geworden ist. Überprüft wird zuweilen auch bei der Person mit Schweizer Pass oder Aufenthaltsstatus: ob sie finanzielle Probleme hat, ob ihre Wohnung gross genug ist und welche Bewilligung sie selbst hat. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist oft, ob der Kanton befürchtet, Sozialhilfe zahlen zu müssen.
Nun ist die Ehe nicht nur eine bürgerlich verankerte Institution. Die sogenannte Ehefreiheit ist sogar als Grundrecht in der Verfassung verankert – solange weder Zwang noch Geld im Spiel ist. Wer aus Liebe heiratet, darf das, und auch ohne Liebe ist die Eheschliessung legitim, sofern eine Lebensgemeinschaft ernsthaft angestrebt wird. Auch Heiraten aus Steuergründen sind nicht verboten.
Wer dagegen einzig deshalb heiratet, um jemandem ein Bleiberecht zu ermöglichen, macht sich strafbar und kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Wem eine Scheinehe nachgewiesen wird, der oder die kann nachträglich sogar wieder ausgebürgert werden. Wo genau aber hört die Liebe auf – und fängt eine Scheinehe an?