Kost und Logis: Die Winzigen sind überall

Nr. 5 –

Bettina Dyttrich ist beeindruckt von der Bioschule

Unermesslich und weit wie das Meer ist das Thema, das Lehrer Niklaus Messerli für die Projektwoche seiner Klasse ausgesucht hat: Mikroorganismen. Ein Thema, könnte man denken, das bei den SchülerInnen nicht gerade auf Begeisterung stösst. Aber das täuscht. Denn hier, auf dem Schwand beim Berner Dorf Münsingen, lernen angehende BiolandwirtInnen. Für sie ist sie Alltag, diese scheinbar abstrakte Welt der winzigen Wesen.

Sie könnten gar nicht ohne: Ohne Mikroorganismen würden Mist und Kompost nicht verrotten, Futter liesse sich nicht silieren, der Most nicht vergären, es gäbe weder Brot noch Joghurt noch Käse. Gleichzeitig machen Mikroorganismen den LandwirtInnen das Leben schwer: Sie hocken in schlecht geputzten Melkanlagen und lassen die Milch verderben, stecken die Schweine, im schlimmsten Fall auch ihre HalterInnen an, lassen die Konfitüre und das Lagergemüse schimmeln. «Euer Job ist es, gut mit diesem Umfeld umzugehen», sagt Messerli.

Er ist ein passionierter Lehrer, der das Feld weit öffnen kann, ohne sich zu verzetteln. Von «Darm mit Charme» über Antibiotikaresistenzen zum Bodenleben, aufgelockert durch einen Imbiss: Wir basteln ein Bakterium aus Marzipan, Honig und Schokoladestreuseln. Dann hält ein junger Wissenschaftler von der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope einen Vortrag. Es geht um den Einfluss der Bodenbearbeitung auf die hilfreichen Wurzelpilze. «Setzt euch mit Wissenschaft auseinander!», ermuntert Messerli die Klasse. «Haltet Augen und Ohren offen, macht selbst Versuche auf euren Betrieben!»

Den jungen Leuten muss man das nicht zweimal sagen. Sie löchern den Forscher mit Fragen: Beeinflussen die Mikroorganismen den Säuregrad des Bodens? Können Wurzelpilze auch schaden, zu Parasiten werden? Wer entscheidet, über was Sie forschen?

Besonders die älteren SchülerInnen sind fast nicht zu bremsen. An der Bioschule lernen Jugendliche gemeinsam mit Erwachsenen, die im Zweitberuf BiolandwirtInnen werden. Das habe sich bewährt, sagt Niklaus Messerli: Die Ernsthaftigkeit der Älteren stecke die Jüngeren an. «Wir sind gebrannte Kinder von den konventionellen Bauernschulen», sagt ein junger Mann in der Pause. Hier sei es um Welten besser.

In den nächsten Tagen werden die Schülerinnen und Schüler ausschwärmen, in kleinen Gruppen auf Höfen, in einer Käserei, einer Brauerei oder einer Biogasanlage vorbeischauen, von PraktikerInnen mehr über Bodenleben, Güllebelüftung oder Kälberdurchfall lernen. Dann werden sie Berichte darüber schreiben und ihren KlassenkameradInnen vorstellen. Das Ganze gibt Noten, doch diese stünden nicht im Vordergrund, sagt Lehrer Niklaus Messerli: «Mir ist wichtig, dass ihr euren Fragen nachgeht.»

Niemand stöhnt, macht auf Minimalismus. Ich bin beeindruckt: So gut kann Schule sein.

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.