Auf allen Kanälen: Ein Portal für MeinungsmacherInnen
Mehr als das Hobby von Pensionierten: Fünf Jahre nach dem Start hat sich das Onlineportal «Infosperber» als wichtige Ergänzung zum medialen Mainstream etabliert.
Die Medienvielfalt in der Schweiz nimmt seit Jahren dramatisch ab. Einmal abgesehen von SRF, teilen inzwischen Tamedia, NZZ-Gruppe, Ringier, AZ Medien und Somedia («Südostschweiz») die Medienlandschaft Schweiz unter sich auf. Parallel zu diesem Konzentrationsprozess haben sich im Netz einige unabhängige Plattformen entwickelt: «Journal B» im Mittelland, «Zentralplus» in der Innerschweiz, die «Tageswoche» in Basel oder die Onlineplattform des Kulturmagazins «Saiten» in der Ostschweiz. Es sind Nischenmedien, die allerdings das breite Publikum suchen und sich zumindest regional als Alternative zu den etablierten Medienhäusern verstehen.
Ganz anders «Infosperber». Das vom bekannten ehemaligen TV-Journalisten Urs P. Gasche mit einigen Mitstreitern ins Leben gerufene Onlineportal besetzt eine noch kleinere, aber durchaus einflussreiche Nische: Sie wendet sich an EntscheidungsträgerInnen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Und kommt dort offensichtlich an.
Beginn mit lächerlicher Summe
Die gute Nachricht nach fünf Jahren: «Infosperber» hat sich gut entwickelt, die Zukunft scheint gesichert. Auf den ersten Blick erstaunt diese ermutigende Bilanz. Denn die InitiantInnen um Urs P. Gasche hatten zu Beginn gerade mal 150 000 Franken Stiftungskapital für den Aufbau von «Infosperber» zur Verfügung – im Vergleich zu allen anderen eine lächerliche Summe. Doch es funktioniert, weil das Portal von einem anderen Kapital zehrt: von der Freiwilligenarbeit erfahrener Publizisten. Es sind fast ausschliesslich ältere, meist pensionierte Männer, die für «Infosperber» schreiben, darunter publizistische Schwergewichte wie Werner Vontobel, Erich Gysling, Rudolf Strahm oder Werner van Gent. Unter den regelmässigen MitarbeiterInnen finden sich gerade mal drei Frauen. Allerdings entwickelt sich «Infosperber» auch hier: Inzwischen wurde eine Produzentin fest angestellt und eine zweite als Freelancerin engagiert. Sie werten auch internationale, von den hiesigen Medien kaum beachtete Quellen aus.
Das Kapital der Trägerstiftung ist inzwischen aufgebraucht. Das Jahresbudget von 150 000 Franken wird aus Spenden (neunzig Prozent) und Bannerwerbung (zehn Prozent) gespeist. Einige Zahlen verdeutlichen die zunehmende Beachtung des Portals: Anfang 2015 verschickte «Infosperber» seinen täglichen Newsletter an 5200 AbonnentInnen, inzwischen sind es 8500, die Seite wird täglich 7600-mal besucht und registriert inzwischen täglich 2650 sogenannte Unique-UserInnen. Ein Jahr vorher waren es noch 1900. Dass «Infosperber» nicht bloss das Hobby von Pensionierten ist, sondern ein Bedürfnis befriedigt, zeigte auch der Jubiläumsanlass, der kürzlich 250 LeserInnen nach Bern lockte.
Die Stärke als Achillesferse
Die publizistische Linie der Plattform reduziert sich auf Relevanz und Ergänzung zum Mainstream. Das löst sie zwar immer wieder ein. So deckte «Infosperber» eben erst auf, dass die Schweizer Medien der Propaganda der Schweizer Netzgesellschaft Swissgrid aufgesessen waren und deren Warnung vor einem Stromblackout kritiklos verbreitet hatten. Die mediale Kehrtwende erfolgte erst, als das Schweizer Fernsehen und auch die NZZ die Kritik von «Infosperber» aufnahmen.
Aber die Stärke des Portals ist zugleich seine Achillesferse: Die einzelnen, meist hoch spezialisierten PublizistInnen dominieren ihre Themen nach Belieben. So kritisierte Philipp Löpfe («Watson») die seiner Ansicht nach unsäglich einseitige Pro-Putin-Berichterstattung des ehemaligen WOZ-Autors und TV-Journalisten Helmut Scheben zum Ukrainekonflikt. Als sich daran nichts änderte, kündigte Löpfe seine Mitarbeit bei «Infosperber» auf. Es gibt zwar eine redaktionelle Kontrolle durch täglich wechselnde Redaktionsleiter, die grundsätzlich alleine zu entscheiden haben, was publiziert wird. Eine Redaktionskonferenz existiert aber nicht. Allfällige Probleme werden per E-Mail besprochen.
Ob künftig «ergänzend» und «relevant» als publizistische Linie ausreichen? «Infosperber» hat sich etabliert und bietet eine wertvolle Ergänzung. Aber auch diese gemeinnützige Plattform wird sich weiterentwickeln müssen.