«Widerspruch»: Baustein für eine linke Gegenhegemonie
Medien stehen in der Propaganda der Rechten synonym für links. Das war noch nie richtig und ist inzwischen in (fast) jeder Hinsicht falsch. Wie eine linke Medienpolitik aussehen könnte – auch dafür liefert die Nummer 67 des «Widerspruchs» intellektuelle Bausteine.
Als im Frühjahr 1981 junge linke Intellektuelle die Theorie- und Debattenzeitschrift «Widerspruch» ins Leben riefen, kräuselten Infotainment und Personalisierung erst die mediale Oberfläche. Bleiwüsten, Parteiblätter, schöne Gewinne und sperrige Texte waren so selbstverständlich, wie es heute Facebook, Blogs, Smartphones und Medienkonzentration sind. Der technologische Rush und das Primat der neoliberalen Ökonomisierung haben die alte Medienwelt inzwischen bis zur Unkenntlichkeit verändert. Orientierung und Verlässlichkeit – das war einmal.
Für den «Widerspruch» gilt das (noch) nicht. Er ist ein Zeuge vergangener Zeiten, der sich mit den neuen beschäftigt. Er kommt daher, wie er schon immer dahergekommen ist: als dickleibiges Heft, eigentlich als Buch, in dem die gute alte Bleiwüste überlebt hat und ihre Qualität entfaltet – das von keinem nervösen digitalen Blingbling abgelenkte Nachdenken.
Zum Beispiel über die Arbeitsbedingungen von JournalistInnen. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Die AutorInnen und RedaktorInnen des «Widerspruchs» arbeiten überwiegend gratis. Ohne Selbstausbeutung wäre das Heft längst eingestellt. Doch auch bei der linken Debattenzeitschrift gibt es Veränderungen. Vor einem Jahr wurde mit dem Soziologen und Stadtforscher Jonas Aebi ein Heftkoordinator in Teilzeit eingestellt und vor zwei Jahren der Vertrieb und die Heftproduktion an den Rotpunktverlag ausgegliedert. Dem Heft geht es den Umständen entsprechend gut. 1200 AbonnentInnen – Tendenz steigend – und GönnerInnen tragen den «Widerspruch», der mitten in einem Generationenwechsel auf der Redaktion steht.
Der Erfolg der Rechten
Mit dem Wandel der Medienwelt beschäftigt sich also der aktuelle «Widerspruch». Die AutorInnen – Journalisten, Gewerkschafterinnen, Wissenschaftler – beleuchten das Thema aus allen möglichen Blickwinkeln, herab von theoretischen Höhen und heraus aus der Praxis, die internationale Entwicklung im Blick und das nationale Geschehen unter der Lupe. Es ist ein vielfältiges Heft mit spannenden Beiträgen. Zum Beispiel jenem von Bianca Miglioretto: Sie befasst sich mit der Darstellung von Frauen in den Medien und wertet Erkenntnisse des aktuellen Global Media Monitoring Project aus. Der Titel des Artikels sagt schon viel aus: «Auf drei Männer kommt eine Frau zu Wort».
Gleich mehrere Beiträge befassen sich aus einer demokratiepolitischen und linken Perspektive mit den Medien in der Schweiz. Dabei wird deutlich: Die bereits vor Jahrzehnten begonnenen und bis heute anhaltenden Angriffe auf den Service public und gegen angeblich linke Medien vonseiten rechtskonservativer und neoliberaler Akteure (Hofer-Club, Medienforum, Aktion Medienfreiheit) waren à la longue ziemlich erfolgreich. Diese Entwicklung zeichnet der Journalist Hans Stutz nach. Die von privaten Vereinen getragene SRG etwa – sie ist eben kein Staatsbetrieb – steht sowohl unternehmerisch wie auch publizistisch unter rechtem Dauerfeuer. Mit dem Ziel, das Unternehmen zu schrumpfen und die lukrativen Filetstücke zu privatisieren.
Den Service public sichern
Was der SRG bevorstehen könnte, ist dem sogenannten Blätterwald der Demokratie schon längst widerfahren. Wenige Medienhäuser haben sich den Kuchen aufgeteilt. In fast allen Regionen der Schweiz beherrschen inzwischen Monopolisten das Geschäft. Hans-Jürg Fehr, Altnationalrat und Präsident der AZ Medien Schaffhausen, beschäftigt sich mit dem Service public jenseits der SRG. Jene VertreterInnen der grossen Medienhäuser, die sich gerne als reine WettbewerblerInnen aufführen, profitieren seit zehn Jahren vom Gebührensplitting, ohne das sie ihre lokalen Radio- und Fernsehstationen wohl längst hätten einstellen müssen.
Fehr sieht auch diese Medien als Teil des medialen Service public, der die Freiheit der Meinungsäusserung sicherstellt. Und macht konkrete Vorschläge, wie die Sicherung eines Service public aussehen könnte, der diesen Namen verdient. Denn wo er zerfällt – wie etwa in Russland oder neuerdings in der Türkei –, verkommt die Demokratie zu einer Formalie.
Die Durchökonomisierung der Medien ist eine Gefahr. Eine ganz andere die von rechtsbürgerlichen Milliardären finanzierten Zeitungen «Basler Zeitung» und «Weltwoche». Sie, so heisst es im Editorial des «Widerspruchs», müssten als rechtes Hegemonialprojekt verstanden werden. Sowohl die Auflage des Zürcher Wochenblatts wie auch jene der Basler Regionalzeitung sind abgestürzt, seit diese in rechter Hand sind. Doch im Gegensatz zu den renditegetriebenen Medienhäusern zielen sie eben auf Meinungsführerschaft. Der «Widerspruch» sieht das aktuelle Heft als Mosaikstein einer «linken Gegenhegemonie». Auf die Frage, wie diese konkret auf den Weg gebracht werden könnte, bleibt der «Widerspruch» eine Antwort schuldig. Aber immerhin: Die Diskussion ist angestossen.
Vernissage und Podiumsdiskussion in Zürich, Zentrum Karl der Grosse, Mi, 20. April 2016, 19.30 Uhr.