«Intelligente» Autos: Mehr Verkehr dank Algorithmen

Nr. 26 –

Im Silicon Valley sind sie schon länger ein Hype, nun hat es auch den Direktor des Bundesamts für Strassen (Astra), Jürg Röthlisberger, erwischt. In der «Zentralschweiz am Sonntag» schwärmt er in hohen Tönen vom «enormen Potenzial» «intelligenter», also sich selbst steuernder Autos. Sie seien sicherer als von Menschen gesteuerte und erhöhten die Strassenkapazität, da sie näher aufschliessen könnten.

Das ist, mit Verlaub, sehr kurz gedacht. Die Wissenschaft wüsste es besser, man müsste sie halt zur Kenntnis nehmen. Im Wissenschaftsmagazin «Science» ist soeben eine Studie erschienen zur Frage, wessen Sicherheit für einen Algorithmus, der ein Auto steuert, Priorität haben soll: Soll er das Fahrzeug notfalls in eine Wand fahren, um zu verhindern, dass es einen Passanten überfährt? Eine deutliche Mehrheit der Befragten sagte: Ja, natürlich – nur: Kaufen würden sie so ein Auto nicht. Röthlisberger meint dazu lapidar, man werde die Lösung solcher Dilemmata «vermutlich Zufallsgeneratoren überlassen». Schöne Aussichten!

Ebenfalls vergangene Woche sprach an einer Tagung an der ETH Zürich die Berliner Verkehrswissenschaftlerin Barbara Lenz über «autonomes Fahren». Ihr zufolge erhöhen autonome Fahrzeuge zuallererst die Verkehrsmenge, weil das Fahren attraktiver ist, wenn das Auto sich selbst einparkt und man während der Fahrt arbeiten kann. Die von Röthlisberger erhoffte Kapazitätssteigerung wäre sofort weggefressen.

Aber Röthlisberger will nicht nur vollere Strassen, sondern «unbedingt» auch mehr Verkehrsfläche; schliesslich nehme der Verkehr laut Prognosen zu. Da wir hier schon beim Thema «intelligente Systeme» sind: Der Wiener Verkehrsingenieur Hermann Knoflacher pflegt diese Sichtweise als «dümmer als eine Klospülung» zu bezeichnen. Die Spülung schliesse ein Ventil, wenn der Spülkasten voll sei. Der typische Verkehrsplaner dagegen sage: «Da will noch mehr Wasser kommen», baue ein grösseres Rohr ein – und fühle sich bestätigt, wenn tatsächlich mehr Wasser fliesse.

Man müsste Röthlisbergers Amt «Amstra» nennen: Bundesamt für mehr Strassen.