Kost und Logis: Weg mit den Flaschen!
Bettina Dyttrich trifft die Wasseraktivistin Maude Barlow
«Lernt, so viel ihr könnt, über alle Aspekte von Wasser», sagt die zierliche Frau am Rednerpult. «Schafft eine Kultur, die Wasser respektiert und verehrt. Und hört auf, Flaschenwasser zu trinken!»
Die kanadische Aktivistin Maude Barlow ist zu Gast an der ETH. Dabei ist sie keine Naturwissenschaftlerin: Der Feminismus brachte sie zum Engagement gegen Freihandelsabkommen, und via Freihandelsabkommen kam sie zum Wasser. «Ich kannte Frauen im Süden, die keinen Zugang zu sauberem Wasser hatten. Nun las ich im Entwurf zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta, dass Wasser ein handelbares Gut werden solle. Da stimmte doch was nicht!» Seither kämpft sie dafür, dass Wasser ein öffentliches Gut bleibt.
Für ihren Einsatz bekam sie diverse Ehrendoktorate und 2005 den Right Livelihood Award, den sogenannten Alternativen Nobelpreis. Den ETH-StudentInnen erzählt sie von den riesigen Grundwasserreserven im nordamerikanischen Westen, die in wenigen Jahrzehnten erschöpft sein werden – verschwendet auf Maisfeldern und Golfplätzen. Die Kritik am Flaschenwasser kommt für die meisten aber wohl doch überraschend. Doch Maude Barlow hat Gründe für diese Forderung. Und sie haben direkt mit der Schweiz zu tun, mit Nestlé nämlich. Die kanadische Provinz Ontario lässt den Schweizer Multi diverse Quellen ausbeuten – trotz einer schweren Dürreperiode «und obwohl noch nicht einmal alle Indigenen in der Region gute sanitäre Anlagen haben». Nestlé zahlt umgerechnet nur gerade 2,70 Franken pro Million Liter.
Bei uns ist das alles viel harmloser, klar – in der Schweiz wird das Wasser nicht knapp wegen Valser und Henniez. Aber Barlow hat recht: Es ist bescheuert, Wasser in Flaschen zu kaufen, wenn exzellente Qualität aus dem Wasserhahn fliesst. In kaum einem Bereich kann man so viel Energie und Ressourcen sparen ohne jede Einschränkung der Lebensqualität.
Ja, bei uns ist alles viel harmloser – in Kanada brennen ausgetrocknete Wälder, der Teersandabbau verwüstet riesige Gebiete, Vögel werden mit Schüssen vertrieben, damit sie nicht auf den öligen Abwasserlagunen landen und sterben. Und Justin Trudeau? Immerhin der erste Premierminister der Welt, der sich selbst als Feministen bezeichnet? «Trudeau ist wie Obama», sagt Maude Barlow. «Gesellschaftlich fortschrittlich, aber ein Neoliberaler. Er wird die Teersandindustrie nicht stoppen.»
An der ETH-Woche entwickeln StudentInnen in transdisziplinär gemischten Teams Projekte, dieses Jahr zu Barlows Lebensthema Wasser. Die zukünftigen IngenieurInnen stellen kluge Fragen: «Wie kann gutes Engineering mit Wasser aussehen?», «Ist Grosstechnologie immer zerstörerisch?», «Was halten Sie von der grünen Wirtschaft?». Dann applaudieren sie lange. Soll niemand mehr sagen, die heutigen StudentInnen seien nicht motiviert: Für die Wasserwoche geben sie eine Woche Ferien her. Für einen einzigen ECTS-Punkt.
Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin. Es nervt sie, dass sich die WOZ-Belegschaft noch immer Wasserflaschen liefern lässt.